„Ich sehe was, was du nicht siehst, und das ist braun!" Dieser Satz ist so ziemlich der einzige Text, den es bei der Tanz-Musik-Performance „Ausblick" zu hören gibt. Eine Frau, ganz in Blau gekleidet, steht hinter einem sitzenden Mann, dem sie die Augen zuhält und ihn wie eine Marionette nach links und rechts dreht. Dabei wirft sie diesen Satz in den Raum, der in der ersten Etage des Café Alda mit verschiedenen Farbscheinwerfern ausgeleuchtet ist. Dort, wo sonst nur zu Balkan Beats oder Electro Swing die Leute umherwirbeln, hat das Tanz-Ensemble des Bonner Choreografen Karel Vañek Platz für eine Performance der besonderen Art geschaffen: Insgesamt acht Tänzer und Musiker wollen sowohl tänzerisch als auch musikalisch den wichtigen Fragen des Lebens auf den Grund gehen. „Ausblick. Oder: Jetzt erst recht: Play it again, Sam. Über das beharrliche Wiederbeginnen. Eine Tanz-Musik-Performance.", so der vollständige Name der Darbietung. In Kombination mit gelegentlichen Schreien, hektischem Herumwuseln oder auch mal völliger Stille wird daraus ein Mischmasch an Farben und Geräuschen.
Zu Beginn verteilen sich alle blau gekleideten Künstler im Publikum. Stille tritt ein. Dann kommt der erste nach vorne, setzt sich auf einen Hocker und beginnt damit, eigenartige Bewegungen zu machen. Andere folgen ihm, während einige sich schon wieder ins Publikum setzen. Dann liegen auf einmal zwei am Boden, scheinbar ringend und doch wieder nicht. Dazu gibt es verzerrte Geigenmusik und hektisches „Auf-der-Quetschkommode-Herumpatschen". Eine Tuba gibt es auch, sowie weitere Instrumente. Natürlich ist die bizarre Geräuschkulisse gewollt, trotzdem wirkt sie verstörend und ein wenig quälend für die Ohren. Dann sitzen wieder alle. Erneut Stille. Wieder steht einer auf, wieder fängt einer an zu tanzen. Allerdings ist es kein Tanzen im klassischen Sinne, wohl eher zu vergleichen mit einem sich winden, einem Zucken und Strecken. Pina Bausch lässt grüßen.
Voller Körpereinsatz bei der Performance Foto: Karin Engels
„Wo werden da wichtige Fragen des Lebens erörtert?“ mag sich der Zuschauer da fragen. Die Antwort muss eigenständig interpretiert werden. Vielleicht wird ja gerade das Problem des Gruppenzwangs dargestellt, wenn alle versuchen, eine am Boden kriechende Darstellerin daran zu hindern, an ihr Akkordeon zu gelangen und dabei noch hysterisch lachen. Vielleicht wird ja das Mitläufertum kritisiert, wenn eine andere Tänzerin ihre Kollegen per Fingerschnipsen und Daumenhieb dazu auffordert, ihr zu folgen. Vielleicht aber auch nicht.
Die Performance endet so unverbindlich, wie sie begonnen hat: Nachdem sich alle noch einmal auf der Bühne versammeln und sämtliche Instrumente lauthals zum Einsatz kamen, bleibt ein Tänzer an Ort und Stelle stehen, schaut auf die Uhr, schaut rüber zu den anderen und murmelt dann „Ende“. Im selben Moment geht das Licht aus und mit einem Mal ist es wieder ganz still. Es ist nicht ganz klar, ob nun die Performance vorbei oder ob dies möglicherweise nur ein weiterer Teil von ihr ist. Und so bleiben alle Zuschauer zunächst ruhig verharrend sitzen, bis der erste sich traut, zaghaft zu klatschen. Die anderen folgen seinem Beispiel, das Licht geht wieder an und alle Darsteller springen auf die Bühne um sich zu verabschieden. Der ein oder andere Gast bleibt noch sitzen um mit seinem Nachbarn über den vermeintlichen und in der Performance „gut erkennbaren Verfall der Gesellschaft“ zu philosophieren oder um Geräuschkulisse und Dargebotenes zu verarbeiten. Performances sind eben nicht jedermanns Sache.
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