Die treuen Galeristen sind die besten. Seit 1998 stellt der Fotokünstler Christopher Muller kontinuierlich in der Galerie von Rolf Hengesbach aus, und dort steht nun die nächste Einzelausstellung an – in der der Künstler freilich kaum wiederzuerkennen scheint. Ausgestellt sind erstmals Aquarelle. Aber war Muller nicht schon immer ein Grenzgänger zwischen den Kunstgattungen, für den bildhauerische Ordnungsprinzipien ebenso wichtig sind wie der konzentrierte Umgang mit Farben?
Die Aquarelle auf Papier entstehen seit 2013, eine erste Auswahl stellte Muller im Herbst 2014 in seinem Atelier im Düsseldorfer Stadtteil Bilk zur Diskussion. Schon da fiel die kalkulierte Beschränkung ins Auge. Die Hochformate sind klein, die Bilder zügig gemalt und nur stellenweise ausformuliert. Dazu passt, dass sich Muller auf einige wenige Motive konzentriert, die sämtlich etwas Unspektakuläres, ja Privates besitzen. Zu sehen sind etwa nackte Füße und blaue Hosenbeine und Teile des Oberkörpers. Hier klärt sich die Motorik des Körpers zwischen Lässigkeit und Konzentration. Andere Bilder zeigen Mobiliar, den Bücherschrank oder Pflanzen, und zwar alles aus unmittelbarer Nähe und vom Format angeschnitten. Insgesamt bleibt der Bildausschnitt lapidar und exklusiv. Einerseits ist alles „normal“, vorhersehbar – andererseits überraschen die Perspektiven, die noch Details fokussieren. Etwa wie in einem der Aquarelle die Hand mit gespreizten Fingern auf den quadratischen Feldern des Holzbodens aufliegt, wobei der Blick „kippt“: Kann es nicht sein, dass der Oberkörper aufgerichtet ist und sich die Hand an die Wand stützt? Wir vergleichen die faserigen Strukturen des Holzes mit denen der Hand. Bei einem anderen Aquarell sind die Füße so zusammengepresst, dass sich die Sohlen nach innen hin heben. Währenddessen hält die linke Hand einen Block, der selbst (mitsamt der rechten) vom Format beschnitten ist: Wir haben es mit Selbstporträts vom Künstler bei der Arbeit zu tun. Insbesondere: beim Sehen, Erfassen und bei der Klärung, was er sieht, mit ihm selbst als Modell, das sich noch seiner körperlichen Konstitution vergewissert, die Schwerkraft und den Widerstand der Raumebenen prüft. Forciert wird dies durch die mitunter stürzende Ansicht und den engen Ausschnitt, welcher Fremdheit und die Intimität größter Nähe zusammenführt. „Bilder befinden sich in unwiderruflicher Distanz zu uns und doch benutzen wir gerade sie, um dem nicht Gegenwärtigen nahe zu kommen und es aufzuschlüsseln“, hat Rolf Hengesbach in einem Text 2011 geschrieben, und zwar als allgemeine Erkenntnis, die so auf Mullers Fotografien zutrifft.
Christopher Muller wurde 1966 geboren, er hat in London und dann an der Kunstakademie Düsseldorf studiert. Er war Professor für Fotografie in Leipzig und unterrichtet seit 2009 an der Folkwang Universität in Essen. Bekannt ist er vor allem mit seinen fotografischen Stillleben. Bei diesen sind alltägliche Dinge auf einer Fläche wie zufällig zusammengeschoben und räumlich gestaffelt, wobei sich Beziehungen formaler Art einstellen und die Geschichte, den Nutzen und die Verfasstheit dieser Dinge an ihrem Ort thematisieren. Wie akribisch Muller diese Stillleben vorbereitet hat, lässt sich daran erkennen, dass er zur Klärung der Formbeziehungen Buntstiftzeichnungen angefertigt hat: Diese Blätter gab es früher in Ausstellungen und in Katalogen zu sehen. Muller, der sein Studium übrigens als Maler begonnen und dann als Bildhauer fortgesetzt hat, untersucht medienübergreifend das fragile Verhältnis von Subjekt und Objekt. Dazu dokumentiert er ein allmähliches Herantasten an die Umgebung, die wir nur ausschnitthaft mit den Instrumentarien des Sehens und körperlichen Begreifens wahrnehmen können: So nah waren wir Christopher Mullers Konzeption noch nie.
„Christopher Muller, self“ | 8.2.-20.3. | Galerie Rolf Hengesbach | 0202 75 35 32 | Eröffnung: 8.2. 11.30 Uhr
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