engels: Herr Illner, was hat Friedrich Engels mit dem Ersten Weltkrieg zu tun?
Eberhard Illner: Sehr viel. Engels hatte bereits lange vor 1914 einen solchen Krieg prophezeit. Er war sich sicher, dass der kommende Krieg ein industriell geführter Massenkrieg sein würde. Er hat sogar den Schlieffenplan und messerscharf die Entscheidung an der Marne – genau wie dies auch im September 1914 eintraf – vorhergesagt. Ein unglaublicher militärtheoretischer Weitblick!
Woher wusste dies Engels so genau? Er war doch Philosoph und nicht General?
Doch, so gut wie, er hatte sogar den Spitznamen „General“, denn er war militärischer Experte der sozialistischen Internationale. Er hatte als „Einjährig-Freiwilliger“ bei der preußischen Artillerie in Berlin gedient; Dienstrang „Bombardier“. Dort wurde Denken verlangt, damit die Kugel auch traf. Es ging nicht nur um Drill und Exerzieren. Er hatte auch aktive Kampferfahrung im Rahmen der Reichsverfassungskampagne im Frühjahr 1849 zunächst als „Barrikadeninspector“ in Elberfeld, später als Freischärler in der Pfalz. Später hatte er eine große militärwissenschaftliche Bibliothek.
Was waren Ihrer Meinung nach die Kriegsursachen?
Neben den bekannten außen- und militärpolitischen Ursachen sehe ich auch innenpolitische Gründe. Das System eines Kaiserreiches hatte sich längst überlebt. Die wichtigen Entscheidungen wollten die führenden Köpfe der Industrie treffen, wurden aber einerseits von dem Adel im Zaum gehalten, andererseits forderten auch die Arbeiter mehr Macht. Der Kaiser mit seinem „persönlichen Regiment“ hat sich nur so lange halten können, weil er die Mittel der Propaganda beherrschte. Er beförderte den Kaiserkult, nutzte dafür damals schon die Massenmedien.
Woher kam diese Faszination des Krieges bis hinein in intellektuelle, künstlerische und linke Kreise?
Die kulturelle Entwicklung zur Jahrhundertwende schrie nach Veränderung. Das bestehende System war aber dazu nicht fähig. Der so entstandene Druck wurde kanalisiert, um den dann verhängnisvollen übersteigerten Nationalismus zu erzeugen. Gespeist wurde diese Entwicklung noch durch die Wahrnehmung vieler Deutscher, dass die „arroganten Nachbarn“ ihnen den ihnen zustehenden Platz in der Welt nicht gönnen.
Ist die Situation 1914 mit der 2014 vergleichbar?
Überhaupt nicht. Ich bin geprägt durch die deutsch-französische Freundschaft, war Austauschschüler in Frankreich. Wenn ich jetzt nach Frankreich fahre, fühle ich mich dort nicht fremd. Europa hat sich gerade in den letzten Jahrzehnten völlig verändert.
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