Die Fuck Buttons klangen immer episch, und mit dem Seitenprojekt Blank Mass wurde das auf die Spitze getrieben. Ihr drittes Album „Slow Focus“ ist zwar wieder sehr rhythmisch, die Noisewände werden aber auch hier zu riesigen Berglandschaften aufgetürmt. Steht man auf dem Höhepunkt ganz oben, scheint man auf die Welt herabblicken zu können. Und plötzlich durchfährt einen durch all den nebligen Lärm hindurch ein quasi-religiöser Schauer. Der Schlusstrack „Hidden XS“, ist wieder so ein Glücksmoment (ATP Rec.). Auch Julia Holter mag die dramatischeren Klänge. Inmitten allerlei Geräuschen und Klängen, klassischen Arrangements und jazzigen Elementen wirkt ihre Stimme auf dem dritten Album aber geradezu beruhigend. Natürlich sind die Stücke auf „Loud City Song“ insgesamt immer noch eher komplex, heterogen und dunkel (Domino). Von all dem weiß Ernest Greene alias Washed Outs nichts. Ihm genügt ein fröhlicher Spaziergang auf einer Sommerwiese. Leicht und beschwingt gleiten die Popsongs dahin, ohne dass ihre Unbekümmertheit das Ohr beleidigen würde. Es ist vielmehr ein Schmeicheln, das er sich von Prefab Sprout geliehen haben könnte. They call it Chillwave (Domino).
Der Kölner Drum'n'Bass-Produzent The Green Man legt mit der Doppel-CD „Sound Power“ nach langen Jahren wieder ein Album vor. Er arbeitet mit verschiedenen Vokalisten zusammen, am besten ist seine Musik aber immer, wenn er sich ganz auf seine Sounds verlässt. Dann bleiben auch Klischees außen vor, wie bei „Stay True“, wo er eine Art Musique Concrète als Drum'n'Bass macht (Basswerk). Zum 20jährigen Jubiläum des Kölner Technolabels Kompakt gab es bereits zwei Compilations, eine Zeitschrift, eine Party und eine Ausstellung auf der Art Cologne. Dort wurde Wolfgang Voigts Projekt „Zukunft ohne Menschen“ vorgestellt: ein Video mit Improvisierter Musik, die klingt wie tiefgefrorene DAF, mechanisierte Minimal Music oder Krautrock ohne Rock. Die CD erscheint mit einem Buch mit digitalen Malereien zu den Stücken. Die Compilation „Mutazione“ verspricht auf 2 CDs und 26 Stücken „Italian Electronic & New Wave Underground 1980 – 1988“. Wahrscheinlich dürfte auch für Italiener entsprechenden Alters das meiste unbekannt sein. In Industrialkreisen sind zumindest Die Form und Maurizio Bianchi bekannter. Die Musik im Dreieck zwischen Post Punk, Industrial und New Wave spiegelt die damaligen politischen Unruhen in Italien, vergleichbar mit dem Deutschen Herbst. Unter den älteren Sache ist viel Spannendes, gegen Mitte der 80er Jahre wird es oft manieriert und selbstgefällig – wie auch andernorts (Strut).
Nicht Musik, aber so einflussreich, dass es eine Erwähnung an dieser Stelle legitimiert: Colin MacInnes hat 1958 in seinem Roman „Absolute Beginners“ die aufkommende Teenager-Kultur nicht nur beschrieben, sondern gefeiert. Der 18jährige Protagonist durchstreift ein London, in dem Künstler, Schwule, Prostituierte, Teddy Boys und die ersten Anzeichen der entstehenden Modbewegung der steifen Welt der Erwachsenen entgegentreten und schon bald auch gegeneinander antreten. Denn im Herbst '58 gibt es in London erste Rassenunruhen. Es ist kein Geheimnis, dass das Buch nicht nur für Paul Weller, sondern die ganze Mod-Bewegung eine Bibel war. Die rotzige Arroganz der Jugend kommt bei MacInnes bestens zur Geltung und erscheint, nachdem es lange auf Deutsch vergriffen war, nun in einer neuen Übersetzung (Metrolit).
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