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In der Spur

01. Juni 2012

Jürgen Grölle zeigt neuere Bilder von Klaus-Martin Treder - Kunst 06/12

Eigentlich ist es ganz einfach. Klaus-Martin Treder unterläuft alle Erwartungen und erfüllt alle Erwartungen. Er ist ein „richtiger“ Maler, auch wenn seine Maßnahmen des Malerischen nicht politisch korrekt sind. Er beruft sich explizit auf die verschiedenen Traditionen der expressiv gegenstandsfreien Malereien, indem er diese zitiert, deformiert und freilegt. Jürgen Grölle, der Klaus-Martin Treder nun in seiner Galerie an der Friedrich-Ebert-Straße in Elberfeld ausstellt, berichtet, dass sich die Ausstellungsbesucher in zwei Lager spalten. Das eine reagiert mit Unverständnis, die anderen sind begeistert, euphorisch, kommen wieder. Die Gemälde von Treder bedürfen der genaueren Hinwendung, der Betrachtung aus der Nähe und der Ferne, des vergleichenden Sehens zwischen den Bildern – all das ist in der Galerie möglich – und dann wird sehr rasch deutlich, wie präzise und detailgenau Treder gearbeitet hat und wie sehr er einzelne Verfahren erkundet und variiert, ja: die konventionellen Strategien der Komposition und der Serie gerade auch auf seine Malerei zutreffen.

Auf grundierten Aluminiumtafeln oder Leinwänden ist Farbe geschüttet, dehnen sich Flecken und Pfützen aus. Die Farbe selbst ist aufgeworfen, mitunter pastos massiv, drinnen und drum herum finden sich Ausbuchtungen sowie Objekte, die wie die Überbleibsel einer Flut im Farbgrund stecken. Außerdem sind feine Härchen auf der Fläche fixiert, die aus Abstand wie Rauch oder ein Vogelschwarm am Himmel wirken können und einen Schatten bilden, also fast eine Form auf einer tieferen Ebene darstellen. Oder es hängen lose Streifen herab, die nur provisorisch befestigt scheinen. Etliche Bilder kennzeichnet zudem die Setzung langgezogenen breiter Streifen; in einem Fall erwächst daraus eine vom Bildformat beschnittene ovale Form. Die Bilder sind dabei übersichtlich angelegt und doch in der Fülle der Details komplex, und natürlich mag es für konventionelle Bildvorstellungen relativ unmöglich sein, Kaffeebohnen oder Kunststoff-Becher appliziert im Bild zu entdecken. Die Farbigkeit ist oft ins Neon oder Pastellene gebrochen und bleibt selbst formlos gesetzt.

Aber alles, was schnell und zunächst fast beliebig scheint, ist genau kalkuliert. Treder legt seine Bilder zunächst am Computer an. Er gießt die Farbe und vermeidet so einen persönlichen Duktus. Und er greift dann doch zum Pinsel und schleudert Farbe auf eine Plane und sucht sich Farbkleckse heraus, die er dann in das Bildgeschehen integriert. Malerei wird zur Handlung, die ihre Spuren offenlegt, den Künstler aber zugleich verschwinden lässt. Man könnte weiter schauen, würde Abklebungen und die Farbkanten von Abklebungen entdecken. Eine samtene Farbfläche wirkt wie eine Haut oder wie eine Mondlandschaft, gesehen aus großer Entfernung.

Festzustellen ist, wie genau Treder immer wieder die Bildränder aktiviert, dabei durchaus ironisch vorgeht – wie er überhaupt den abstrakten Expressionismus reanimiert und zugleich nach einer zeitgemäßen Form abstrakter Kunst sucht. Dabei ist seine Malerei „konkret“, indem sie Ready-mades, Fundstücke aus unserem Zivilmüll nimmt und noch auf die Reizüberflutung durch Farben und Formen anspielt und dann den Blick auf das Einzelne lenkt:. Plötzlich stellen wir fest, dass eine simple Kaffeebohne nicht nur eine eigene Form und farbige Dichte hat, sondern in der Leinwand, wie nach einer sorgsamen rollenden Bewegung, eine Spur hinterlassen hat.

Zumal in den Diskursen, die nach der Aktualität des Mediums Malerei fragen, könnte Treder künftig eine herausragende Rolle spielen, er bringt Vieles auf unangestrengte, aber solide Weise auf den Punkt. Seine Bilder sind konfus und ordentlich, nüchtern und romantisch: alles zugleich. Klaus-Martin Treder wurde 1961 in Biberach an der Riß geboren, er hat in Stuttgart bei Rudolf Schoofs studiert und lebt heute in Berlin. In den letzten Jahren fanden mehrere Einzelausstellungen im institutionellen Rahmen statt, nun sind seine Bilder, zum ersten Mal und sehr eindrucksvoll, in Wuppertal zu sehen.

„Klaus-Martin Treder – Orientierungsverlust und Ästhetik“ | bis 14. Juli bei Grölle pass:projects | Friedrich-Ebert-Staße 143e, Wuppertal | www.passprojects.com

Thomas Hirsch

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