engels: Herr Dr. Spars, als Fachmann für kommunale Wohnpolitik arbeiten Sie unter anderem mit dem Wuppertaler Büro für Quartierentwicklung zusammen. Gibt es eine Haupterkenntnis aus ihrer letzten gemeinsamen Studie?
Dr. Guido Spars: Die Haupterkenntnis ist, dass Wuppertal trotz Zuwanderung nicht um den demographischen Wandel herumkommt. Im Moment mag das durch die hohe Zahl an Einwanderern ja noch gut aussehen, aber darauf sollten sich die Verantwortlichen nicht verlassen. Wenn Weltkrisen ein Ende haben sollten, ebbt auch der Strom der Zuwanderer ab.
Wie sind Sie bei der Forschung vorgegangen? Waren Sie auch in den Vierteln unterwegs?
Foto: privat
Natürlich haben wir umfangreiche statistische Daten ausgewertet. Wir sind aber auch in die Viertel gegangen und haben uns dort umgesehen. Große Überraschungen gab es allerdings nicht, da wir die Stadt in den vergangenen Jahren schon sehr gut kennengelernt haben. Es ist aber durchaus eindrucksvoll, wenn man zum Beispiel im Rehsiepen unterwegs ist und im Kopf die Zahl von 23 Prozent Leerstand mitgebracht hat. Vor Ort sieht man dann, dass wirklich fast jedes vierte Haus unbewohnt ist.
Trotzdem hat sich Wuppertal zuletzt gebrüstet, keine sterbende Stadt mehr zu sein. Zu- und Abwanderung hielten sich die Waage. Ihre Prognose für die Zukunft wirkt trotzdem recht düster.
Zunächst einmal finde ich den Begriff „sterbende Stadt“ als nicht richtig. Die Stadt stirbt nicht, sie schrumpft. Und wir gehen bis 2025 nur von einem Minus von rund 5000 Haushalten aus. Das bedeutet weniger Bewohner, ja, aber es ist eben auch nicht extrem dramatisch.
Was bedeutet das für den Wohnungsmarkt?
Es bedeutet, dass es weitere Leerstände geben wird. Und dass in einzelnen Gegenden die Zahl der Schrottimmobilien noch weiter wachsen wird.
Heißt das, dass mehr auf die Karte Sanierung von Bestand und weniger auf Neubau gesetzt werden sollte?
Sicherlich sollte vermehrt geschaut werden, wie der Bestand sinnvoll umgebaut und genutzt werden kann. Man darf aber nicht unterschätzen, dass Neubauten eine Anziehungskraft auf potenzielle Neubürger haben können. Wer gut verdient und in Wuppertal eine neue Stelle antritt, möchte natürlich in einem entsprechenden Wohnumfeld leben.
Was sind weitere wichtige Ansätze für das Quartiermanagement?
Neben dem gezielten Neubau würde ich sagen, dass es gut wäre, in problematischen Vierteln den Anteil der selbstnutzenden Wohnungseigentümer zu erhöhen. In anderen Städten wie Rotterdam gibt es Modellprojekte, bei denen Schrottimmobilien mit Kleinstpreisen an Selbstnutzer veräußert wurden. Dadurch kommt eine andere Klientel in Problemquartiere – auch mit Blick auf Studenten. Urbane Quartiere in den Tallagen sollte man für Studenten attraktivieren. Man sollte aus positiven Ansätzen in Vierteln wie der Nordstadt, in Ostersbaum oder dem Arrenberg lernen und ansässige Initiativen mehr unterstützen, zum Beispiel durch das Städtebau-Förderprogramm „Soziale Stadt“.
Wie bewerten Sie es, dass viele Initiativen, die die Stadtviertel aufwerten, aus privater Hand kommen und nicht von Politik- oder Stadtseite?
Ich halte es für eine wesentliche Voraussetzung, dass diese Initiativen sich privat gründen. Es ist nicht Aufgabe der öffentlichen Hand, solche Initiativen zu gründen, sondern sie zu unterstützen, wenn sie aufkeimen. Es gibt in Wuppertal aber auch eine Menge Menschen, die kreativ und motiviert sind. Denen muss man Raum geben und ihnen mit Fördermitteln und guten Rahmenbedingungen helfen. Die Nordbahntrasse ist dafür ein Beispiel par excellence.
Haben Sie zurzeit ein persönliches Lieblingsprojekt in den Quartieren?
Wenn ich ehrlich bin, möchte ich jetzt keines hervorheben. Ich finde die Ansätze, die hier laufen, egal ob auf dem Ölberg, bei der Nordbahntrasse oder dem Mirker Bahnhof, alle lobenswert und gut, weil sie zeigen, dass die Stadt mehr Potenzial hat als über Statistiken erfassbar ist.
Spielt Wuppertal dieses Potenzial eigentlich aus?
Es gibt noch Luft nach oben. Zum einen geht es um das Bewusstsein der Menschen. Man hat das Gefühl, die Wuppertaler reden gar nicht so viel über die guten Dinge, die in ihrer Stadt passieren. Wuppertal hat nach außen ein kurioses Image – nicht mal schlecht, aber kurios. Auch bei den Initiativen selbst gibt es noch Potenzial, aber vor allem in Sachen Unterstützung vonseiten der Stadt. Weiteres Beispiel ist die Aktivierung der Wupper. Dazu arbeiten wir aktuell mit Studenten an einem Projekt. Wir wollen zeigen, wie Grundstücke am Wasser besser genutzt werden können. Es gibt viele Möglichkeiten – zum Beispiel durch Gewerbe aus dem Sportbereich oder einen Wupperstrand, an dem die Menschen ihre Freizeit verbringen können.
Der neue Grundstücksmarktbericht 2014 zeigt, dass die Preise für Immobilien anziehen. Ist das ein gutes Zeichen für mehr Qualität oder ein schlechtes, weil sich weniger Leute Wohnen leisten können?
Für den Markt in Wuppertal ist das ein gutes Zeichen. Zwar ist der Preisanstieg bei Immobilien ein deutschlandweiter Trend, aber es zeigt, dass die Leute bereit sind, auch in Wuppertal zu investieren. Das ist erstmal positiv. Der Preisanstieg lässt aber auch Spielräume zu und löst nicht sofort aus, dass man gleich die soziale Karte spielen muss, ob Wohnen noch bezahlbar ist.
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