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Surreales Erinnern

30. Januar 2014

Comics zwischen Fantastik und Dokumentarismus – ComicKultur 02/14

Quentin Tarantino ist nicht nur ausgewiesener Fan von B-Movies, er liebt auch Comics. Besonders Western-Comics haben es ihm seit Kindertagen angetan. Da ist es nur eine logische Folge, dass er nach seinem Western-Epos „Django Unchained“ auch eine Comic-Adaption eingefädelt hat. Für die einzelnen Kapitel des so humorvollen wie blutigen Sklavendramas hat er sich unterschiedliche Zeichner geholt, die sich aber nicht allzu sehr im Stil unterscheiden, sondern alle mehr oder weniger einem klassischen Realismus verpflichtet sind. Der Clou an der Sache: Da bei der Verfilmung des Drehbuchs aus Kostengründen einige Szenen gestrichen wurden, die im Comic aber zu finden sind, ist die Comicadaption so etwas wie das ausformulierte Storybook (Eichborn). Mit „Das Schwarze Dossier“ wird die fehlende Geschichte aus den 50er Jahren der „Liga der außergewöhnlichen Gentlemen“ von Alan Moore und Kevin O'Neill nachgereicht. Die Autoren erzählen hier, wie Mina und Allan anhand eines geheimen Buches die Geschichte der Liga nachvollziehen, sich zugleich aber ihrer Feinde beim Geheimdienst erwehren müssen. Das Dossier ist kunstvoll an die Stellen der Story eingefügt, an denen Mina und Allan sich dessen Lektüre widmen. Es besteht aus Texten, Comics, Postkarten, Plänen und vielen anderen Dokumenten, die beinahe wie Faksimile in den Comic eingebunden sind. Das Ganze endet in 3 D – die passende Brille liegt auch noch bei. Wie immer umwerfend gut und detailverliebt (Panini).

Der Spanier Miguelanxo Prado legt mit dem 250-seitigen „Ardalén“ sein bislang umfangreichstes Werk vor: Sabela versucht in einem Bergdorf, etwas über das Leben ihres Großvaters herauszufinden. Sie trifft den alten Fidel, der mit dem Großvater zur See gefahren sein soll. Tatsächlich erinnert sich Fidel an die gemeinsame Zeit, doch bald gibt es erste Zweifel an Fidels Geschichten. Prados Thema ist das Erinnern und wie es uns und unsere Geschichte definiert. Die farbigen Kreidezeichnungen umkreisen fantasievoll die surreale Reise in eine Vergangenheit, die es so wohl nie gegeben hat. Ähnlich wie in „Das schwarze Dossier“ ergänzen Textdokumente die Geschichte (Ehapa). „Der arabische Frühling“ von Jean-Pierre Filiu und Cyrille Pomes versucht sich daran, die historischen Hintergründe und die zeitliche Abfolge der Ereignisse leicht verständlich und pointiert aufzuarbeiten. Es ist ein Sachcomic, der es schafft, ohne narratives Korsett, aber mit Hilfe eindringlicher Zeichnungen, sowohl die Fakten als auch die bewegenden Momente der Ereignisse zu vermitteln. Dabei ist vor allem das Zusammenspiel von Bild und Text gelungen: teilweise gegenseitig ergänzend, teilweise aber auch kommentierend oder gar widersprüchlich – wenn offizielle Statements neben Bildern stehen, die eine andere Wahrheit aussprechen (Carlsen).

Schon 1988, also lange vor dem aktuellen Graphic Novel-Boom, unternahm Ron Mann den Versuch, mit der Dokumentation „Comic Book Confidential“ die Geschichte des Comic-Heftes nachzuzeichnen. Er startet bei den frühen Superheldencomics und Mad, um über Will Eisner, die Underground-Comix der 60er Jahre von Crumb oder Gilbert Shelton, Art Spiegelmans Maus und Comics von Frauen zu den 80er Jahre-Ikonen Frank Miller, Charles Burnes oder den Hernandez Brothers zu gelangen. Neben zahlreichen Interviews und Bildbeispielen lässt sich Mann auch ästhetisch sehr auf sein Thema ein und imitiert Erzähltechniken des Comics auf eine Art, die auch heute noch frisch und unterhaltsam ist. Der Film erscheint erstmals in Deutschland auf DVD und enthält als Bonus reichlich Interviewmaterial (Salzgeber).

CHRISTIAN MEYER

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