Am Anfang hängen Lenin und Goethe gleich groß nebeneinander. Politik und Kultur bleiben die Hauptthemen in der Plakatgeschichte der DDR zwischen 1949 und 1989. Der Mikrokosmos, den das Deutsche Plakatmuseum im Essener Folkwang Museum ausbreitet, ist auf den ersten Blick eine recht indifferente Masse an Druckerzeugnissen, hier und da Scherenschnitt-Typografie, schwarzweiße Muster und knallige Bonbonfarben. Der Besucher muss seinen Blick konzentrieren und die Spuren zwischen der Werbung für Allerlei suchen und finden. Zeit ist dabei ein erster Wegweiser. „Sammelt Buntmetall für unsere Friedenswirtschaft“ (Jupp Alt, 1950) ein frühes politisches Plakat, auf dem immerhin noch eine gesamtdeutsche Fahne weht, zehn Jahre später ist das nicht mehr so, aber die wirtschaftlichen Parolen werden auch länger: „ Für die weitere Entwicklung der Gemeinschaft unserer nationalen Wirtschaft mit der Volkswirtschaft der Sowjetunion“ (Manfred Gottschall, 1962). Im Westen hieß das Pendant wohl: „Haste was, dann biste was.“Der alte Sparkassen-Werbeslogan aus den 1960ernwar ja auch von Schiller geklaut, nichtsdestotrotz kann man hier grundsätzlich Unterschiedliches erkennen.
Das ist auch bei den Konsumgütern so. Wer kennt im Westen schon Framo, den 4-Rad-Kleinlastwagen, oder Medaillon, die Qualitätsseife von Tutflora aus den frühen 50ern? Bunt gestaltet auch die Offset-Prints der modischen Kleiderwelt oder notwendige Dienstleistungsangebote zwischen Renten-Sparbuch und Krankentagegeld- Versicherung am Ende des Jahrzehnts. Nach dem Verbot von Werbung 1975 war das allerdings vorbei. Plakate wurden vor allem in Kunst und Kultur eine wichtige Gestaltungsform, anfangs für die Volksbühne in Berlin, später auch für den „Tag des Zorns“ (1986), eine sowjetische Filmutopie aus dem Gorki-Studio. 1989 haben sich beim Slogan „Wir sind das Volk“ längst zwei Wölfe unter die harmlosen drei Schafe gemischt (Mathias Gubig). Politische Propaganda durchzieht die drei Räume konsequent, immer wieder Parolen, Schmähungen gegen den Kapitalismus und Lobeshymnen auf die Errungenschaften der eigenen Gesellschaft, wenn auch schon früh der faktische Mangel die Werbung blockierte.Für die politische Propaganda bleibt das Plakat in der DDR bis zum Schluss ein wichtiges Mittel, aber immer mit Blick auf den eigenen Standpunkt: „Zum Beispiel“ (Manfred Butzmann, 1981), ein schwarzweißes Pazifismus-Fotoplakat musste eine Waffe aus dem Westen im Müllkorb zeigen, denn nur der imperialistische Klassenfeind war eben Kriegstreiber.
Ein Plakat, und es hängt wohl nicht ohne Grund am Anfang der Ausstellung und diente auch als Einladungskarte zur Eröffnung, scheint zeitlos zu sein und allzeit brisant. Klaus Vonderwerth hat es 1971 geschaffen, im Popart-Stil der Zeit. Eine Feder trifft ins Schwarze einer Zielscheibe. „Karikatur als Waffe“ (im Kampf der SED), der Untertitel ist wichtig, er darf ja heute auch nicht missverstanden werden.
„Anschläge von ‚Drüben‘ – DDR-Plakate 1949-1990“ | bis 19.4. | Museum Folkwang, Essen | 0201 884 50 00
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