Die Erde in der Zukunft: Mickey und Berto haben Schuldner auf den Fersen, die ihnen nach dem Leben trachten. Einziger Ausweg ist die Flucht. Glücklicherweise startet gerade eine Expedition unter der Leitung des skrupellosen Hieronymous Marshall zu einem Planeten, den er kolonialisieren will, um dort eine reine Rasse zu erschaffen. Mickey meldet sich als sogenannter Expendable an, als ein Entbehrlicher. Die schlechte Nachricht: Er ist auf der Mission für alle riskanten Aktionen zuständig, die tödlich enden könnten. Die gute Nachricht: Dank eines Gedächtnisspeichers und eines Biodruckers wird er nach seinem Tod geklont. So ist Mickey schnell bei seiner 17. Inkarnation angelangt, als die Expedition nach vier Jahren den Eisplaneten Niflheim erreicht. Dort gerät er bei einem Sturz in eine Gletscherspalte, und Berto, der den ungleich leichteren Job als Pilot ergattern konnte, rettet den Überlebenden nicht – man kann ihn ja eh neu drucken. Als dann noch eine Truppe riesiger Kellerasseln angerollt kommt, scheint Mickeys x-ter Tod besiegelt. Doch die unschönen Tierchen haben eine gute Seele und retten Mickey. Der kommt halb erfroren wieder auf der Station an, um festzustellen: Nummer 18 wurde wegen seines vermeintlichen Tods bereits ausgedruckt. Das Problem: Multiples sind verboten und müssen vernichtet werden. Bong Joon Ho ist in seiner Heimat Südkorea schon lange ein Superstar. Nach seinem Megahit „Parasite“ überzeugt er nun mit der Science-Fiction-Komödie „Mickey 17“. Megastar Robert Pattinson ist darin gleich zweimal zu sehen: Nummer 17 ist zaghaft und sensibel, lässt sich aber leicht ausnutzen. Nummer 18 hingegen ist grob, arrogant und weiß, was er will. Das Pattinson-Doppel im steten Duell zu sehen macht großen Spaß. Dazu gibt es spektakuläre Bilder und Action, Slapstick, viel Fantasie und auch die gesellschaftlichen und politischen Themen, die Bong Joon Hos Filme begleiten.
Ende der 1920er Jahre geht Maurice Ravel (Raphaël Personnaz) mit der Tänzerin Ida Rubinstein durch die Halle einer Mülldeponie. Maschinen stampfen, donnern, rattern. Der Komponist fabuliert von einer mechanischen Symphonie. Das repetitive, treibende Klangwerk der Maschinen ist eine der Quellen, die Ravel zu seinem Meisterstück inspirieren werden: dem Bolero. Ein Tanzstück, das in den Folgejahrzehnten munter, von Afrika bis Zappa, interpretiert wird. Auch im Kino kommt das Werk regelmäßig zum Einsatz und sorgt dafür, dass eine ganze Generation den Bolero mit Bo Derek assoziiert („Zehn – Die Traumfrau“). Aus gutem Grund betitelt Regisseurin Anne Fontaine ihren Film mit „Bolero“, und nicht etwa mit „Ravel“: Fontaine erzählt nicht bloß biografisch, sie interessiert sich ebenso für den Schaffensprozess rund um sein Werk, für die besondere Verbindung des Komponisten zur Musik. Der Ravel, den die Regisseurin hier für uns entdeckt, ist ein Feingeist, der sein Leben ganz der Musik unterwirft. „Sie sind ja an die Musik vergeben“, bemerkt Ravels Freund Cipa. Fontaine erzählt von einem schwer zu greifenden Künstler, dem man dennoch fasziniert und berührt folgt, weil sie ihn einfühlsam und glaubwürdig zeichnet. Raphaël Personnaz („Eine neue Freundin“), der bei dem Großteil der Stücke selbst Klavier spielt, verkörpert das Wesen dieser Figur ergreifend.
Eine schwarze Katze streicht durch den friedlichen Wald. Nach dem Mittagsschlaf begegnet sie einer aufgescheuchten Hundemeute. Ein Hase flieht. Rehwild. Vögel. Und dann kommt die große Welle: Der Wald wird überflutet, rasch steigt der Wasserpegel. Die Katze rennt, stürzt und klettert. Nach oben, bis oben unten ist. Ihre Rettung: ein herrenloses Boot. Schon bald hat sie Gesellschaft: ein treuer Golden Retriever, ein genügsames Capybara, ein sammelwütiger Lemur und ein ausgestoßener Storchvogel finden sich nach und nach auf dem kleinen Segler ein und treiben gemeinsam durch die überschwemmte Natur. Der Beginn einer Reise, auf der die Tiere ihre Ängste überwinden und Zusammenhalt finden müssen. Ganz wunderbar reduziert zaubert der lettische Regisseur Gints Zilbalodis („Away – Vom Finden des Glücks“) eine animierte Fabel auf die Leinwand. Eine Reise, die ganz ohne menschliche Sprache auskommt. Und überhaupt, das ist gerade mal sehr wohltuend: ganz ohne Menschen! Vom Setting her erinnert „Flow“ an den Endzeit-Actioner „Waterworld“ mit Kevin Costner und Dennis Hopper – nur eben ohne Kevin Costner und Dennis Hopper. Kein Mensch ist hier zu sehen. Kein Hass, kein Gequassel, keine Neurosen, kein Krieg. Es herrschen, selbst in der Krise, Ruhe und Frieden. Dafür gab es am vergangenen Sonntag den Oscar für den besten Animationsfilm des Jahres.
Außerdem neu in den Kinos in und um Wuppertal: das Animationsdrama „Das kostbarste aller Güter“ von Michel Hazanavicius, die Actionkomödie „Love Hurts – Liebe tut weh“ von Jonathan Eusebio und die Actionadaption „In the Lost Lands“ von Paul W.S. Anderson.
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