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Auch in Wuppertal denkt man europäisch
Foto: Medienzentrum Stadt Wuppertal

„Die EU neigt zu Überregulierungen“

30. April 2014

Frank Schmitthammer über Vor- und Nachteile der europäischen Einigung – Thema 05/14 Europa

engels: Herr Schmitthammer, braucht Wuppertal die Europäische Union?
Frank Schmitthammer:
Wir brauchen die Europäische Union ganz dringend. Gerade in den Bereichen Stadt- und Strukturentwicklung kommen mittlerweile nennenswerte Geldströme aus den Kassen der EU. Wuppertaler Firmen profitieren außerdem davon, dass sie ohne Zollschranken in Europa Handel treiben und in ganz Europa Zweigniederlassungen gründen können.

Trotzdem ist die EU in der Öffentlichkeit nicht sonderlich beliebt. Woran mag dies liegen?
Die EU neigt zu Überregulierungen. Das Subsidiaritätsprinzip wird in den Kommunen besonders hoch gehalten, droht aber bei der Europäischen Kommission schon mal in Vergessenheit zu geraten. Alle Probleme, die in der Kommune gelöst werden können, sollten auch da gelöst werden.

Gibt es da ein prägnantes Beispiel?
Im vergangenen Jahr wollte die Europäische Kommission durchsetzen, dass die Versorgung mit Trinkwasser in allen Staaten der EU privatisiert werden kann. In Deutschland aber ist dies traditionell eine öffentlich-rechtlich wahrgenommene Aufgabe. Man hatte die Sorge, dass durch die Privatisierung die Trinkwasserqualität nachlässt oder die Preise erheblich steigen. So gründete sich europaweit die Initiative right2water, die knapp 1,9 Millionen Unterschriften gegen das Gesetzesvorhaben sammelte, das somit nicht verabschiedet wurde.

Ist die Europäische Einigung nur ökonomisch wichtig?
Nein, wir reden gerade in diesem Jahr viel von der Jahrhundertkatastrophe, dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges 1914. Seit Bestehen der Europäischen Union gibt es so wenig Krieg auf diesem Kontinent wie nie zuvor. Dieser Umstand ist für die Generation meiner Eltern sehr wichtig, gerät aber bei den Jüngeren leider leicht in Vergessenheit. Wir vergessen auch schnell, dass wir in der EU Reisefreiheit haben. Ich kenne noch die Zeit, als man an der Grenze zu den Niederlanden den Pass zücken musste. Inzwischen fahre ich mit meinem Motorrad nach Spanien und halte nur zum Tanken an.

Was machen Sie eigentlich bei der Stadtverwaltung?
Ich bin seit 2006 sozusagen der interne Lobbyist für Europaangelegenheiten. Da allerdings Wuppertal seit vielen Jahren haushaltsrechtlich nur eingeschränkt handlungsfähig ist, ist auch mein Handeln eingeschränkt. Ich versuche, innerhalb und auch außerhalb der Verwaltung für europäische Projekte zu werben.

Muss die europäische Einigung nicht auch von den Bürgerinnen und Bürgern getragen werden?
Das wird sie auch. Wir haben in Wuppertal viele Vereine, die sich um die Städtepartnerschaften kümmern. Leider ist die Gründergeneration, die nach dem Zweiten Weltkrieg mit viel Engagement diese Vereine gründete, in die Jahre gekommen. Wir müssen nun versuchen, dieses Engagement mit neuen Inhalten für die Zukunft fit zu machen. Ein gutes Beispiel, wie junge Leute aus Europa gemeinsam etwas bewegen, ist das European Poetry Orchestra. Zehn Jugendliche aus Großbritannien, Italien, Spanien, Deutschland und der Slowakei nahmen in Wuppertal eine CD auf, vertonten unter anderem Texte von Else Lasker-Schüler.

Gibt es noch andere konkrete Projekte, die Wuppertal der EU zu verdanken hat?
Es gibt sehr viel mehr als auf dem ersten Blick erkennbar ist. Sie können sich auf eine beliebige Stelle der Nordbahntrasse stellen und schon stehen Sie auf EU-Geldern. Ein Teil der Fördermittel kommt nämlich aus Brüssel. Ab diesem Jahr müssen Hinweisschilder aufgestellt werden, die zeigen, wo EU-Gelder verwendet wurden. Dann werden wir viel deutlicher sehen, welche Projekte die EU unterstützt. Aber es geht ja nicht nur um Baumaßnahmen. Wir haben Jugendaustauschprogramme gefördert bekommen. Das Kompetenzzentrum „Frau und Beruf“ wird von der EU mitfinanziert. Ein Forschungsprojekt wurde unterstützt, das untersucht hat, wie mit den vom Klimawandel verursachten Starkregenfällen umgegangen werden kann. Ein Wuppertaler Beitrag war hier unter anderem die Erprobung einer Technik, mit der Regenwasser von Abwasser getrennt werden kann. Das haben wir mit Partnern aus Österreich, Schweden und Tschechien gemacht.

Und welche weitergehenden Perspektiven gibt es?
Für die Pläne, aus dem Schauspielhaus ein Pina-Bausch-Tanzzentrum zu machen, bemühen wir uns, dass sich neben anderen auch die EU an den Kosten beteiligt. Im Zoo soll es 2025 ein Carl-Fuhlrott-Kompetenz- und Bildungszentrum geben. Wir möchten Förderung bekommen für unser Projekt „Kein Abschluss ohne Anschluss“, das Jugendlichen den Übergang von der Schule zum Berufsleben erleichtern soll. Auch in der Jugendarbeit möchte man weitere Projekte in Angriff nehmen. Das European Poetry Orchestra machte da ja schon einen viel beachteten Anfang. Leider sind wegen der angespannten Finanzlage der Stadt aber auch weiterhin nicht alle Projekte durchführbar, die vielleicht wünschenswert erscheinen.

Wenn die Stadt mehr Projekte unterstützen könnte, würden mehr EU-Gelder nach Wuppertal fließen?
Wer Geld von der EU haben möchte, muss selbst Geld als Eigenanteil mitbringen. Das mag sich jetzt zynisch anhören, aber wir sind seit einiger Zeit im Bergischen Land in der ‚glücklichen‘ Lage, arm genug zu sein, um wie das Ruhrgebiet mit entsprechenden Fördermitteln ausgestattet zu werden. Wie in Zukunft nach dem Ende der Förderperiode 2014 bis 2020 die Fördermittel vergeben werden, ist aber nicht klar. Die EU besteht inzwischen aus 28 Staaten. Da gibt es Regionen, denen geht es erheblich schlechter als dem Bergischen Land. Deshalb sollten wir bis 2020 so viele Projekte wie möglich auf den Weg bekommen.

Was sind Ihre weiteren Wünsche?
Ich wünsche mir, dass am 25. Mai möglichst viele Wuppertalerinnen und Wuppertaler zur Wahl gehen. Es werden immer mehr Entscheidungen im Europäischen Parlament getroffen. Deshalb ist eine hohe Wahlbeteiligung wichtig.

Frank Schmitthammer (58) ist Senior Manager des Europabüros der Stadt Wuppertal.

INTERVIEW: LUTZ DEBUS

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