Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
22 23 24 25 26 27 28
29 30 1 2 3 4 5

12.559 Beiträge zu
3.787 Filmen im Forum

Lesesaal im Museum Ludwig
Foto: Kunst- und Museumsbibliothek Köln

Einen Schatz als Ladenhüter verschoben

29. August 2013

Kölner Stadtrat sortiert wertvolle Bibliothek aus – Textwelten 09/13

Als das Historische Archiv im März 2009 durch den U-Bahn-Bau in Köln zerstört wurde, war das ein großes Unglück. Aber es war auch eine Blamage. Spätestens seit dieser selbstverschuldeten Katastrophe gilt Köln als Deutschlands Zentrum für Pleiten, Pech und Pannen. Schnell kann man zu einer Lachnummer werden, aber man kann mit mutigen Entscheidungen und ästhetisch interessanten Projekten auch Marken setzen, die dem Profil einer Stadt neue Akzente verleihen. Der vom Architekturbüro Waechter &Waechter entworfene Neubau des Archivs an der Luxemburger Straße wäre so eine Chance gewesen, aber nun schneidet der Rat der Stadt mit seinem Beschluss vom 18. Juli die Kunst- und Museumsbibliothek aus dem Komplex heraus und bietet sie wie saures Bier der Universität an. Schon mehrfach hat man die Uni bekniet, die Bibliothek zu übernehmen, und als der Kanzler jetzt ein gnädiges Zeichen der möglichen Übernahme signalisierte, konnte man die Erleichterung zwischen den Zeilen der städtischen Presseerklärung geradezu mit Händen greifen.

Rund um den Erdball genießt diese Bibliothek ein herausragendes Renommee unter Kunstwissenschaftlern, Galeristen und Künstlern. Die rotgrüne Ratsmehrheit scheint diese Tatsache herzlich wenig zu interessieren. Erinnern sich SPD und Grüne nicht mehr daran, dass ihre Parteitradition den Kulturauftrag einmal als wichtigen Teil ihrer politischen Identität definierte? Offenbar taugt der Ruf der Kunststadt Köln nur noch dazu, als Worthülse auf den Prospekten des Köln-Tourismus beschworen zu werden, mit der Verantwortung für gewachsene Institutionen wird er jedenfalls nicht mehr in Verbindung gebracht. Was für ein Edelstein ist diese Bibliothek mit ihrem unglaublichen Potenzial (420.000 Bände und 150.000 Zeitschriften und Mappen von Künstlern) an Bildmaterial und ihrem einzigartigen Schatz an Fotobüchern. Jetzt ist sie zerstückelt auf diverse Lesesäle und wird es wohl auch bleiben.

Würde man ihre einzelnen Depots zusammenführen, bestünde die Möglichkeit, sie als Museumsattraktion zu präsentieren und zu vermarkten. Eine Institution, für die weiterhin Förderung von Land und Bund gefordert werden muss, auch deshalb, weil sie jedem Kölner Bürger zugänglich ist. Der Komplex des Historischen Archivs erhielte mit diesem Buchschatz in unseren bildbesessenen Zeiten ein attraktives Geschwister, das den analytischen Umgang mit dem Bild schult. Dazu gehört auch eine Museumsfläche, die jene Schätze, die im Archiv liegen, mit den Kölnern kommuniziert. Erst wenn man erlebt hat, was in Archiven aufbewahrt wird, bekommt man auch eine Vorstellung von der Bedeutung der Dokumente und ein Bild der eigenen kommunalen Geschichte.

Diese Institution, zu der man Vergleichbares in Städten wie Frankfurt, München oder Hamburg nicht findet, soll nun von der Universität geschluckt werden, die selbst noch keine konkreten Vorstellungen hat, wo denn eigentlich für dieses Kleinod Platz geschaffen werden könnte. Hauptsache entsorgt, dieser Eindruck setzt sich immer wieder in den kulturpolitischen Entscheidungen des Rates durch, der sich offensichtlich überfordert fühlt, den kulturellen Reichtum der Stadt zukunftsorientiert zu verwalten und ihn nicht als Herausforderung und Chance begreift.

THOMAS LINDEN

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

Arthur der Große

Lesen Sie dazu auch:

Die Hölle der Liebe
Julian Barnes schreibt sein bitterstes und bestes Buch – Textwelten 04/19

Das Drama der Erinnerung
Annie Ernaux arbeitet ein Kindheitstrauma literarisch auf – Textwelten 02/19

Sind wir eine Nanny-Republik?
Frank Überall geht der deutschen Lust am Verbot nach – Textwelten 06/18

Kampf zwischen Gegenwart und Vergangenheit
Peter Stamm beschreibt, wie man Opfer der eigenen Geschichte werden kann – Textwelten 05/18

Zwischen Herz und Verstand
Ruth Klüger bietet direkten Zugang zur die Welt der Lyrik – Textwelten 04/18

Demütigung
Ein Buch über den sozialen Tod und was man ihm entgegensetzen kann – Textwelten 11/17

Ein notwendiger Roman
Affinity Konar überrascht mit ihrem Meisterwerk „Mischling“ – Textwelten 09/17

Liebe am Mittag
Graham Swift zeigt uns, wie Literatur funktioniert – Textwelten 08/17

Ohnmacht der Bilder
Die Entdeckung der bizarren Liebesgeschichte eines Fotografen – Textwelten 07/17

Ein Leser, der zum Verführer wird
Alberto Manguel präsentiert imposante Kunst des Fragens – Textwelten 08/16

Inspiration tanken
Wie der Buchhandel Stehvermögen zeigt – Textwelten 07/16

Über Nacht zum Begriff geworden
Köln erlangt Berühmtheit, nur anders als erhofft – Textwelten 03/16

Literatur.

Hier erscheint die Aufforderung!