Die Literatur gehörte in der Vergangenheit nicht zu den Bereichen, in denen Kölns Stadtoberhäupter besondere Präsenz demonstrierten. Dass alleine die lit.Cologne in zehn Tagen 100 000 Besucher auf die Beine bringt, wurde bisher im Rathaus offenbar kaum registriert. Mit Henriette Rekers ist jedoch ein neuer Ton auf dem kulturellen Parkett zu vernehmen, wie sich schon bei der Verleihung des Heinrich-Böll-Preises an Herta Müller zeigte. Die neue Oberbürgermeisterin bewegt sich auf sicherem Terrain, wenn sie, wie nun geschehen, etwa die Programmpräsentation der lit.Cologne begleitet.
Dass Kölns Literaturfestival unter dem Titel „Die Flüchtlinge und die Kraft der Sprache“ einen Veranstaltungsabend in der Lanxess Arena veranstaltet, kommt ihr dabei gerade recht.
Kontinuierlich ist die lit.Cologne in Programm und Besucherzuspruch gewachsen. Mit der 16. Auflage vom 8. bis 19. März 2016 werden 189 Veranstaltungen geboten. Im letzten Jahr lag die Auslastung bei 96 Prozent. Diesmal geht es gleich mit einem Nobelpreisträger los. Orhan Pamuk stellt seinen neuen Roman vor. Pamuks Werk ist eine Ansammlung von Debütromanen, mit jedem Projekt erfand der Türke seine Prosa in Stil und Ton neu. Das aktuelle Buch mit dem Titel „Diese Fremdheit in mir“ nimmt sich jedoch wie eine Art Fortsetzung seiner unvergleichlichen Liebesgeschichte „Das Museum der Erinnerung“ aus, die wieder in Istanbul spielt und von einem Mann erzählt, der die falsche Frau heiratet.
„Er bedeckte mich mit Küssen seines Mundes...“ heißt es dann während der letzten Veranstaltung am 19. März, wenn im Kölner Dom die Erotik Thema sein soll. Neben dem „Hohelied“ wird jüdische und islamische Liebeslyrik gelesen, die Stimmen gehören Jasmin Tabatabai, Katharina Thalbach und Gustav Peter Wöhler. Eine Protagonistin, die alles über die Liebe weiß, und die es dann doch erwischt, schildert Johanna Adoján in ihrem Romandebüt „Geteiltes Vergnügen“. Ein Text, der zeigt, wie die älteste Geschichte der Welt immer wieder neu fasziniert, wenn man erfindungsreich mit ihr umzugehen versteht. Jede Liebe bleibt eben letztlich ein exklusives Erlebnis. Ein Kunststück, auf das sich auch Alessandro Baricco, der Autor des unvergleichlichen Kurzromans „Seide“ versteht. Der Italiener stellt in Köln sein neues Werk „Mr. Gwyn“ vor, die Geschichte eines englischen Schriftstellers, der literarische Porträts von Menschen anfertigt, denen keine Berühmtheit anhaftet, die aber erotische Ausstrahlung besitzen. Als Mr. Gwyn verschwindet, kommt seine Assistentin Rebecca den Verstrickungen der Leidenschaft auf die Spur.
Es gibt viel zu entdecken in diesem überwältigenden Angebot. Das haben auch die Sponsoren des Literaturfests erkannt, die wie in jedem Jahr brav in einer Reihe stehen, um mit dabei sein zu dürfen. Das sind die Riesen der Pharmaindustrie, der Energiewirtschaft oder der Medienlandschaft, wie etwa der WDR. Dessen Literaturprogramm wurde mit der Programmreform verschlankt, aber für die lit.Cologne öffnet er immer noch gerne die Tore und zeichnet 50 Veranstaltungen auf, die dann über das Jahr hinweg aus dem Literaturfest einen ständigen Begleiter der Hörer machen.
lit.Cologne | 8.3.-19.3. | verschiedene Orte | www.lit-cologne.de
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