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Mörderische Wahrheiten

23. Februar 2011

Der Schriftsteller Jochen Rausch widmet sich psychischen Abgründen - Portrait 03/11

Als Teenager war sein Berufswunsch Rockstar. Anstelle dessen wurde er freier Journalist, wechselte zum Hörfunk, schloss ein BWL-Studium ab und wurde Wellenchef. Aus seiner Zeit als Gerichtsreporter stammen die realen Ausgangspunkte seiner Geschichten. Am 16. März liest Jochen Rausch aus „Trieb“.

Jochen Rausch, 1954 in Wuppertal geboren, lebt mit seiner Frau und den Söhnen noch immer hier, weil er es „ganz gut in Wuppertal“ findet. Ebenso unaufgeregt, wie er solche leicht uninspirierten Fragen höflich beantwortet, bleibt er auch bei anderen etwas zu offensichtlichen Nachfragereien zu den Dingen des Lebens charmant. Im Brotberuf ist er Programmchef bei EinsLive, außerdem stellvertretender Direktor beim WDR-Hörfunk. Da sollte man doch annehmen, der Mann ist mit seinem Job und der Familie mehr als ausgelastet. Wann er denn da noch Ruhe und Muße zum Schreiben findet? „Das ist Passion“, antwortet er. Dafür nimmt er sich Zeit. Zumal, da er laut Eigensaussage kein Schnellschreiber ist, der in zwei, drei Stunden eine Geschichte runterschreibt. „Ich schreibe spontan, was mir einfällt, und arbeite es dann aus. Das ist das Interessante daran, literarisch zu arbeiten, die Auseinandersetzung mit der Sprache.“ Damit hat er ein Thema gefunden, wie er sich an der Schönheit der Sprache erfreuen kann, darüber mag er erzählen. Ein Roman sei die Königsdisziplin, Kurzgeschichten eine Herausforderung. Autoren wie Jörg Fauser und Schriftsteller wie Richard Yates oder William S. Burroughs haben ihn „sehr inspiriert“.

Zwischen zwei Leben
Früher schrieb er Songs, denn Jochen Rauschs ursprüngliche Idee war, Rockstar zu werden. Das gibt er gerne zu. „Musikmachen und Schreiben sind ja nicht weit voneinander entfernt. Shortstorys zum Beispiel sind für mich wie Songs. Man muss in Kürze eine Geschichte erzählen, muss eine Emotion auslösen.“
Damit ist ein weiteres Thema gefunden, Emotionen und Leidenschaften. Ohne Leidenschaft im Sinne von Interesse ist das Schreiben gar nicht möglich. Dies ist der eine Punkt. Der andere führt geradewegs zu „Trieb“, dem neuen Buch. War es im Erstling „Restlicht“, dem 2008 erschienen Roman, noch ein großer Aspekt, nämlich „die nicht zu ersetzenden Verluste, die man im Leben erfährt. Es geht um Vergänglichkeit, um das ewige Kommen und Gehen von Glück und Unglück, letztlich um die zentralen Themen unserer Existenz, um Liebe und Tod.“, sind es in „Trieb“ extreme Emotionen als psychische Abgründe, von denen erzählt wird. Authentischer Hintergrund sind dabei die Reportagen, die Jochen Rausch ab 1974 als Gerichtsreporter schrieb. Gern erzählt er in diesem Zusammenhang von seinem ersten Mordfall und dem Mann, der zu seiner Nachbarin geht, um sie anzupumpen. Oft hat sie ihm Geld geliehen. Diesmal nicht. „Da bringt er sie auf der Stelle um und zwar äußerst brutal. Ich war wirklich schockiert. Der Fall war simpel, aber viel böser als alle Krimis, die ich bis dahin gesehen hatte.“
Über das Leben will er erzählen und keine Reportagen nachberichten. „Jeder ist jederzeit zu allem fähig“, lautet seine Einschätzung. Es ist immer eine Frage, wie stark jemand gereizt wird und wie gut und sicher die Kontrollmechanismen greifen. Die meisten Taten sind Beziehungstaten und die am häufigsten verwendete Tatwaffe ein Messer. „Das ist jederzeit verfügbar.“

Liebe als Leitmotiv
In Varianten erzählt Jochen Rausch in den Geschichten vom Aufeinandertreffen zweier Menschen. In der Beschreibung des überraschend zerbrechlichen Kosmos liegt dann die große inszenatorische Kraft. Die Suche nach Liebe ist ja eines der Leitmotive des Lebens, findet er. „Je mehr Geschichten ich zusammen bekam, umso klarer wurde mir, dass ich von diesem Chaos erzählen wollte, das aus dem Gemisch aus Liebe, Sexualität, Macht, Unterwerfung entsteht.“
Diese seltsamen Wahrheiten oder grausamen Realismen hat er sich mit „Trieb“ in einer gekonnten Bindung von Wirklichkeit und leichter Verfremdung von der Seele geschrieben. „So eine Geschichte konzentriert sich auf einen Sachverhalt, ist dicht, hat keine Ausschmückungen oder Umwege, sondern führt geradewegs zum Ziel.“ Er mag das Gitarrenriff, also die harten Kanten beim Schreiben.
Bei seinen Lesungen ist das anders. Als Leseonkel am Tisch mit Buch in der Hand, Mineralwasser und Lampe mag er sich nicht inszenieren. „Man muss den Leuten doch etwas bieten.“ Anstelle dessen gibt es einen multimedialen Auftritt mit seinem alten Freund und Bandkollegen Detlev Cremer. Außerdem wird es in Jürgen Grölles Galerie pass:projects eine Ausstellung geben (Vernissage am 11. März). Denn zu jeder der dreizehn Geschichten ist ein Bild in Form eines Fotos entstanden.
„Mehrere Schauspielerinnen, die das Hörbuch lesen sollten, haben wegen zu großer Grausamkeiten abgesagt. Ich hätte auch romantischere Geschichten, aber die will keiner als Buch rausbringen“, erklärte Jochen Rausch mit gewohntem Understatement zu Jahresbeginn. Mit der Sorge um das Hörbuch ist er quitt, das ist eingelesen. Auf die romantischen Stories dürfen sich seine Fans noch freuen.

Jochen Rausch, „TRIEB/13 Storys“ ab 12.3. beim Berlin Verlag.
Lesung: Mittwoch, 16.3., 20 Uhr I Forum Maximum im Barmer Bahnhof

VALESKA VON DOLEGA

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