Nur wenige Minuten vom Bahnhof Solingen entfernt lebt und arbeitet Moogulator, kurz Mic. Als 5Jähriger wurden seine musikalischen Ambitionen erkennbar, in den Achtzigern träumte er bereits davon, „was mit Synthesizern, Musik und Computern zu machen“. Daraus geworden ist eine Existenz mit mehreren Standbeinen: Moogulator als Elektronik-Musiker mit Veröffentlichungen und Auftritten, als Dozent für Musik-Workshops, als Redakteur des Synthesizer-Magazins „Synmag“, als Betreiber des Blogs „Sequencer.de“, als Klangdesigner für das Musikprogramm „Ableton“ – wer damit musiziert, benutzt vielleicht einige von Mics Tönen. Kreativwirtschaft in Reinform: Mic schöpft unternehmerisch aus seinem Kern als Musiker und bedient daraus gleich mehrere Bereiche der Kunst, Kultur und Bildung. Allerdings ist das Konzept auch aus der Not geboren, denn von seiner Musik kann Mic nicht leben. „Es ist sicher kein Geheimnis mehr, dass Musiker von Tonträgern nicht mehr existieren können und die Einsicht, Musiker direkt zu unterstützen, keine Mehrheit findet“, erklärt er. „Deshalb hab ich mich umorientiert und lebe von allem um Musik und Synthesizer. Die Summe dieser Dinge reicht zum Leben.“ Mic ist damit beispielhaft für viele Musiker, lebt sein Leben mit der Musik – weit weg vom Showlaufen der Popkultur – und geht dafür einen finanziellen Kompromiss ein: „Das ist nichts für Leute, die Luxus lieben“.
Start in die Selbstständigkeit als Flucht nach vorn
Auch der Weg dorthin war mühsam. Obwohl Mic schon 1985 seinen ersten Synthesizer besaß, bemühte er sich zunächst um einen traditionellen Werdegang, machte ein Staatsdiplom als Informatikassistent, arbeitete in einer Firma. Die machte Pleite. „Hartz IV wollte ich nicht.“ Der Start in die Selbstständigkeit war Flucht nach vorn, das damalige Instrument „Ich-AG“ ironische Antwort auf Arbeitslosigkeit mit ihrem frustrierenden „Bewerben und Hoffen“. Mic schrieb für Musikmagazine, machte eine Ausbildung zum Audio Producer und Engineer. 2006 gründete er gemeinsam mit Herausgeber Andreas Michel das „Synmag“. „Niemand hat daran geglaubt. Aber man muss wissen, was man will, und das durchziehen. Auch gegen die Einschätzungen von Freunden.“ Erreicht hat er das alles von Wuppertal aus, wo er seine Jugend verbracht hat. Heute ist es Solingen. Wie es zu diesem Standort kam? „Das war Zufall. Ein Freund wollte hier ein Studio aufmachen, er hat mich angerufen, und nun wohne ich hier“, erinnert sich Mic. Seinen Kollegen hielt es nicht lange, doch Moogulator blieb. Warum? „Es ist billig, man kann ein punkiges, einfaches Leben führen und ungestört machen. Hier ist Niemandsland, Schlafzone, Arbeitsraum, und das ist eigentlich ein Vorteil. Es gibt keinen Großstadttrubel und kein Gedränge wie in Berlin, wo hinter jeder zweiten Tür jemand 'was mit Musik' oder 'was mit Medien' macht.“ Die Nachteile der Provinz nimmt Mic mit Humor: „Am Solinger Bahnhof steht 'Mainstream is Crap', sicher ein Beweis dafür, welch irrsinniger Underground hier tobt. Solingen muss man erklären, werben kann man mit dem Standort nicht. Aber man ist mit dem Auto schnell überall.“
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