Es gab eine Zeit, so lang ist sie nicht her, da war es normal, 40 Stunden pro Woche zu arbeiten. Frei hatte man am Wochenende – in das man dann Dinge quetschte wie Waschen, Bügeln, Einkaufen und Putzen. Mit Glück blieb etwas Freizeit übrig, bevor es Montag wieder zur Arbeit ging. Brückentage waren heiß begehrt – um etwas mehr freie Zeit zu gewinnen. Von zu Hause arbeiten und die Wäsche einfach zwischendurch in die Maschine stopfen oder eine selbstbestimmte Pause für einen Supermarktgang einlegen – zu meiner Angestellten-Zeit undenkbar. Home-Office war eine ganz seltene Ausnahme, eine 35-Stunden-Woche bei vollen Bezügen, wie sie die Lokführergewerkschaft GdL wochenlang verlangte, eine Traumvorstellung.
Wozu sich kaputtrackern?
Heute arbeiten immer mehr Menschen von zuhause aus, viele Arbeitgeber offerieren diese Möglichkeit schon in ihren Stellenanzeigen, inklusive Benefits wie Obstkorb, Getränke, Jobticket oder eine Mitgliedschaft im Fitness-Studio. Das müssen sie auch, wenn sie in diesen Zeiten des Fachkräftemangels gute Leute finden wollen. Denn für die Generation Z ist „leben, um zu arbeiten“ nicht mehr angesagt. Eher das Umgekehrte: Sie wollen leben und nebenbei auch etwas arbeiten – aber nur, wenn es auch interessant ist, oder gut bezahlt. Wozu sich kaputtrackern? Work-Life-Balance (WLB) heißt die Devise, Gleichgewicht zwischen Arbeitszeit und Lebenszeit. Wer will noch um 4 Uhr in der Früh in der Backstube stehen? Das sprengt scheinbar das Gleichgewicht (kurz bemerkt: frisch gebackene Brötchen wollen aber alle). Vielen Älteren gilt die Gen Z mit ihren Arbeitsvorstellungen als faul und verwöhnt.
Produktives Glück
Allerdings ist etwas dran an der WLB-Forderung. Nur darf man dabei nicht so streng zwischen Arbeit(szeit) und Leben(szeit) unterscheiden. Vielmehr ist es sinnvoll, einer Arbeit nachzugehen, die auch das Leben bereichert. Studien zeigen, dass glückliche Mitarbeitende produktiver sind als solche, die sich über zu viel Stress beklagen; logischerweise sind unzufriedene Menschen unmotivierter. Für die Produktivität eines Betriebs ist es also besser, wenn man vielleicht an zwei Tagen vom heimischen Sofa aus arbeiten darf oder während der Arbeitszeit eine kleine Pause im Fitnessstudio machen kann. Auch Forderungen nach einer 35-Stunden-Woche sind nicht abwegig. Bevor die 40-Stunden Woche 1965 verankert wurde, arbeiteten viele Menschen fast 20 Stunden mehr pro Woche. Dass wir den Samstag zum Wochenende zählen, war auch nicht immer der Fall, die 5-Tage-Arbeitswoche gibt es erst seit 1967. Das heißt: Die Zeiten ändern sich und somit auch die Forderungen der Arbeitenden.
Politik müsste mitspielen
Stress im Job und Frust am Arbeitsplatz können krank machen, wie Studien über Burn-Outs belegen. Eine erfüllende Arbeit wiederum ist gesundheitsfördernd. Wie so oft gilt auch für das Arbeiten der Mittelweg. Der kann im Home-Office liegen, in Arbeitszeitkonten, die gegen freie Tage eingetauscht werden, in Teilzeit-Modellen wie Job-Sharing, im Sabbatical oder auch woanders. Den Weg zum (Arbeits)Glück muss jede:r für sich selbst herausfinden. Allerdings müsste die Politik mitspielen, anerkennen, dass ewiges Wachstum nicht nachhaltig ist. Durch technische Entwicklungen sind viele Aufgaben leichter geworden. Für die Basics des Lebens arbeiten wir jetzt schon viel weniger Stunden als unsere Großeltern. Die sog. „Kaufkraft pro Lohnminute“ ist seit 1960 stetig gestiegen. Wenn wir uns als Gesellschaft vom Gedanken des „immer mehr“ verabschieden, könnten alle weniger und flexibler arbeiten. Ganz ohne Arbeit wird es aber (noch) nicht gehen.
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Bereicherte Arbeit
Teil 2: Lokale Initiativen – Der Verein Migration und Arbeitswelt
Verfassungsbruch im Steuer-Eldorado
Teil 3: Leitartikel – Die Reichsten tragen hierzulande besonders wenig zum Gemeinwohl bei
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Teil 3: Leitartikel – Was in Demokratien schief läuft