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29. August 2013

Johannes Weigand inszeniert „Die Fledermaus“ – Prolog 09/13

Wann sind eigentlich gute Zeiten für eine Operette? Dann, wenn beständig kühl der Kulturkahlschlag durch die Stadt weht, aber auch sonst überall Krise ist? Der Euro will sich nicht stabilisieren, überall hört und schaut Big Brother zu, und Terror droht. Aber solange Depressionen „nur“ in den Medien stattfinden, wird schon alles gut werden. Die Entfremdung der Postmoderne vom echten Leben, von der Natur und allen Utopien hat tröstliche Seiten. Damit kennt sich die Operette, ein Garant für Schwung und gute Laune, aus. Als Paradestück des Genres „leichte Muse“ gilt „Die Feldermaus“. Aber das soll nicht zu voreiligen Schlüssen animieren. Vor allem nicht, wenn Noch-Intendant Johannes Weigand inszeniert.

Natürlich passt der Gründerkrach im Fledermaus-Entstehungsjahr 1873 als Vorläufer heutiger Spekulationsblasen und zu so manchem Sparprogramm. Das Stück scheint mit seiner flirrende Art der losgelösten Melancholie haarscharf in unsere Zeit zu passen, obwohl Johann Strauß‘ Sohn es ja im Kaiserreich komponierte. Ein Jahr bevor die „Fledermaus“ uraufgeführt wurde, stürzte ein Börsenkrach Wien in die wirtschaftliche Depression, wurde die von großen Hoffnungen begleitete Weltausstellung zum Reinfall, brach die Cholera aus. Von dieser Absturzlaune und dem schwankenden Boden unter dem Dreivierteltakt erzählt die Komödie, hinter der sich viel Traurigkeit versteckt, irgendwie scheint die Geschichte ein grandioser Abgesang zu sein.

Sie erzählt von vielem, immer ein bisschen. Themen sind Sex in der Gesellschaft, Klassenkampf, na ja: Konflikte zwischen den Klassen, von männlicher Hybris und weiblicher Tücke, von Lügen, Täuschungen und Betrug, von Überlebtheit, Langeweile und so etwas wie kollektivem Kopfweh. Die Herren Eisenstein (Thomas Laske) und Falke (Miljan Milovic) amüsieren sich auf dem Soupé, vordergründig. Tatsächlich ist das Maskenfest aber eine von Falke raffiniert eingefädelte Chance, sich an Eisenstein für eine vor Jahren erlittene Schmach zu revanchieren. Währenddessen gewähren Eisensteins Frau Rosalinde (Banu Böke) und ihr Liebhaber Alfred (Christian Sturm) ihrer unverbrüchlichen Zuneigung füreinander kurz Freigang, Rosalis Stubenmädchen Adele träumt von einem Durchbruch als Künstlerin, und am Ende versammelt der lustige Gerichtsdiener Frosch (Gregor Henze) sie alle und Gastgeber Prinz Orlofsky (Joslyn Rechter) im Gefängnis.

Das Stück hat Mitsumm-Potential. Gleich im ersten Akt singt der Tenor Alfred (Christian Sturm) seine frühere Flamme Rosalinde (Banu Böke), nunmehr Frau von Eisenstein, mit „Glücklich ist, wer vergisst" an. Kurz vorm Schlussapplaus stimmt das Stubenmädchen Adele ihr Schlusscouplet „Spiel ich die Unschuld vom Lande“ an. Die Raffinesse und Klugheit der Musik, mal schwungvolle Polka, mal rassiger Csárdás und viel beschwingter Walzer, sind eigentlich ein Garant für den Erfolg. Die Wahrheit liegt bei Strauß im Unterschwelligen, auch bei der „Fledermaus“, dem Vernehmen nach die Operette, die am häufigsten weltweit gespielt wird.

Mit seinem traditionellen Theaterfest starten die Wuppertaler Bühnen am Samstag, 14. September von 14 bis 18 Uhr in die neue Saison.

„Die Fledermaus“ I 27. (P)/29.9. I Opernhaus Wuppertal I www.wuppertaler-buehnen.de

VALESKA VON DOLEGA

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