Kriegerische Handlungen hat es seit dem 8. Mai 1945 in Deutschland nicht mehr gegeben. Keine Luftangriffe, keine Panzerattacken, keine Absprünge von Fallschirmjägern, keine Kampfeinsätze von Bodentruppen. Leben wir deshalb im Frieden? Mehr als 69 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges haben sich in den vergangen Jahren neue Konflikte in der Welt aufgetan. Durch die Globalisierung sind Krisen und Kriege in weit entfernten Ländern auch in Wuppertal und Umgebung sehr präsent. Gerade Wuppertals Straßen scheinen in den letzten Monaten deutschlandweit zu einem Spiegel der Weltpolitik zu werden.
Unser Blick geht zunächst gen Osten. Im Herbst vergangenen Jahres begehrten die Ukrainer gegen die Regierung von Präsident Wiktor Janukowitsch auf. Der flieht nach der Eskalation im Februar. Eine Übergangsregierung wird eingesetzt. Die Halbinsel Krim rückt ins Zentrum der Ereignisse, als pro-russische Demonstranten im Frühjahr die Abspaltung von der Ukraine fordern. Aus einem Konflikt wird ein Krieg, dessen Gefechte andauern. Die UN sprechen von 3500 Toten. In Wuppertal berichten derweil verschiedene russische Vereine davon, dass es auch bei ihnen zu Auseinandersetzungen gekommen sei. Anfeindungen und sogar Schlägereien zwischen Ukrainern und Russen habe es gegeben. Das Thema Krim wurde in einem russischen Kulturverein ausdrücklich und offiziell aus dem Alltag verbannt – „um weiteren Ärger zu vermeiden“. Bei einer anderen Vereinigung, die Einwanderern aus ehemaligen Sowjetgebieten unter die Arme greift, werden Beratungstermine nur noch so vergeben, dass sich Menschen aus den Konfliktgebieten nicht mehr direkt begegnen.
Als im Juni drei israelische Jugendliche im Westjordanland entführt wurden, begann der Gaza-Konflikt 2014. Auf Hausdurchsuchungen der Israelis folgten Raketen-Angriffe palästinensischer Milizen und Angriffe der israelischen Luftwaffe. Eine genaue Opferzahl gibt es nicht, aber es ist sicher, dass weit mehr als 1000 Menschen starben. Mitte Juli erreichte der Konflikt Westeuropa. Bei Demonstrationen in Essen und Berlin wurden antisemitische Parolen wie „Jude, Jude, feiges Schwein, komm’ heraus und kämpf’ allein“ gerufen. In der Nacht zum 29. Juli passierte in Barmen etwas, was nicht mehr für möglich gehalten wurde: Brandsätze fliegen gegen die Wände der Synagoge an der Gemarker Straße. Das Gebäude fängt kein Feuer, der materielle Schaden ist gering. Umso größer ist der moralische Schaden für die Stadt. Die Polizei nimmt drei Tatverdächtige fest und durchsucht ihre Wohnungen mit einem Großaufgebot. Alle drei seien Palästinenser, sagt die Polizei.
Schleichend verlief die Entwicklung im Irak und in Syrien. Nach dem Auszug der amerikanischen Truppen entstand ein Machtvakuum im Irak. Die neue Regierung in Bagdad schaffte es nicht, schiitische und sunnitische Strömungen zu kanalisieren und auf eine einheitliche Landesführung zu konzentrieren. Das Nachbarland Syrien war durch den andauernden Bürgerkrieg gegen Diktator Baschar al-Assad ausgezehrt. Beste Voraussetzungen für die Gotteskrieger des Islamischen Staates (IS). Mittlerweile hat die mehrere zehntausend Mann starke Truppe ein Kalifat auf Grundsätzen der islamischen Gesetzgebung Scharia errichtet. Die USA kehrten mit Bombern zurück – Ende offen. Unterdessen patrouillierte über die Wuppertaler Gathe die „Sharia Police“, in orangene Warnwesten gekleidete Salafisten, deren Aktion als Marketing beschrieben werden kann. Die extremistische Gruppe versucht laut der Wuppertaler Polizeipräsidentin Birgitta Radermacher, junge Menschen als Krieger für den IS zu gewinnen. Der Aufschrei war groß, erst recht im Tal, in dem die salafistische Szene seit einiger Zeit in Unterbarmen Unterschlupf gefunden hat.
Israel, Palästina, die Ukraine, Syrien und der Irak, alles weit entfernt? Natürlich kann man die Situation in Deutschland nicht mit der in einem Kriegsgebiet vergleichen. Frieden fühlt sich aber auch bei uns anders an. Und das Unwohlsein steigt: Mit dem Ebolavirus steht kein menschlicher, sondern ein natürlicher Krieger auf dem Sprung nach Europa. Zuletzt meldeten Medien, dass sich eine Krankenschwester in Madrid angesteckt hat. In Hamburg wurde ein Ebola-Patient nach erfolgreicher Therapie entlassen, in Leipzig verstarb ein Patient. Ebola – das könnte doch ein Fall für den Pharmakonzern Bayer sein. Und wie es unser Spiegel des Weltgeschehens will, hat auch Bayer eine Niederlassung, natürlich, ganz in der Nähe der Wupper.
Aktiv im Thema
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