Was wäre die Filmgeschichte ohne Klassiker wie „Der Pianist“, „Die fabelhafte Welt der Amélie“, „Les Misérables“ – oder die Kassenschlager „Ziemlich beste Freunde“ und „Das fünfte Element“? Gemeinsam haben alle diese Kinohits, dass sie auch in Frankreich produziert wurden. Und dass sie vom ausgeklügelten französischen Fördersystem profitiert haben, bevor sie auf den Leinwänden dieser Welt Millionen Zuschauer in ihren Bann zogen.
Möglicherweise wäre die französische Filmkultur auf den Prüfstand gestellt worden, wenn im Mai vergangenen Jahres nicht anders entschieden worden wäre. Bei Vorverhandlungen zum Freihandelsabkommen TTIP stand zur Debatte, ob Kulturgüter wie Film, Musik oder andere Medien einbezogen werden sollen. „Um die kulturelle Vielfalt in der EU nicht zu gefährden“ stimmte mit 381 EU-Abgeordneten eine große Mehrheit für eine „kulturelle Ausnahme“. Kulturgüter sind damit vorerst nicht mehr Teil der TTIP-Verhandlungen.
Frankreich übernahm damals die Vorreiterrolle. Knackpunkt ist ein grundsätzlicher Unterschied in der Wahrnehmung von Kultur. In den USA werden Filme von einer großen Industrie produziert und auf einem freien Markt als Ware gehandelt. In Frankreich hingegen wird die Produktion gefördert – wie in Deutschland und fast allen europäischen Ländern. Das französische System ist vielschichtig. Bereits 1946 wurde das Centre national de Cinématographie (CNC) gegründet, 1948 folgte eine Steuer auf Kinokarten. Im Schnitt sind das elf Prozent des Eintrittspreises. Außerdem tragen TV-Sender (5,5 Prozent ihrer Umsätze) oder Videoproduzenten (zwei Prozent) ihren Teil bei. Alles fließt zum CNC, das die Einnahmen weitergibt. Fernsehsender sind verpflichtet, einheimische Produktionen durch den Kauf von Filmrechten oder eine Koproduktion zu unterstützen. Schlussendlich gibt es das Institut zur Finanzierung des Kinos (IFCIC), über das Kredite auf Einnahmen und Vorschüsse abgewickelt werden.
Damit die Filme im TV laufen, gilt seit 1992 eine gesetzlich festgelegte Quote. 60 Prozent der im Fernsehen gezeigten Filme müssen aus Europa kommen, 40 Prozent davon aus Frankreich. Alle diese Schritte haben dazu geführt, dass in keinem anderen europäischen Land so viele Filme aus eigener Produktion angeschaut werden wie in Frankreich – von allen Kinogängern besuchen zwischen 35 und 45 Prozent einen Film aus der Heimat.
Die Franzosen gingen also aus ihrer Sicht aus gutem Grund für eine „exception culturelle“ voran. Und das, obwohl der audiovisuelle Sektor laut EU-Handelskommissar Karel de Gucht nur zwei Prozent des transatlantischen Handelsvolumens ausmache. Die Sorge: Wenn Förderungen, die nach Zuschauerzahlen fließen, für alle zugänglich gemacht würden, hätten amerikanische Blockbuster-Produzenten leichtes Spiel, Töpfe zu leeren. Befürchtet wurden auch Klagen gegen das Fördersystem. Aber diese Spirale ist durch das Veto von 2013 nun gestoppt. Vorerst.
Alle Prozent- und Zahlenangaben sind hier entnommen: http://ambafrance-de.org/Film-Das-franzosische-System-der
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen?
Als unabhängiges und kostenloses Medium ohne paywall brauchen wir die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser. Wenn Sie unseren verantwortlichen Journalismus finanziell (einmalig oder monatlich) unterstützen möchten, klicken Sie bitte hier.
attac: Neoliberalismus ins Museum
Globalisierungskritiker deponieren Thatchers Handtasche im Forum NRW – Spezial 08/16
Keine einfachen Lösungen
Matinee zu „Rum oder Gemüse?“ am 12.6. im Rex – Foyer 06/16
Kampf der Interessen
Die EU, der zahnlose Steuertiger? – THEMA 01/16 GERECHT STEUERN
Die Null muss stehen
Mit höheren Steuern finanziert Wuppertal den ausgeglichenen Haushalt 2017 – Thema 01/16 Gerecht Steuern
Ein Ansatz von Steuergerechtigkeit
In Schweden haben hohe Steuern und ein starker Sozialstaat Tradition – Thema 01/16 Gerecht Steuern
Maßgeschneiderter Schutz?
Regierung fordert Ausnahmen für Kultur in TTIP – Theater in NRW 11/15
Geheimer Handel
Beim Freihandelsabkommen TTIP sind noch viele Fragen offen. Die Politik hat es lange verpasst, die Bürger aufzuklären – THEMA 10/14 FREIER HANDEL
„Unser Protest hat Symbolwirkung“
Helmut Penschinski über den Sinn von lokalem Aufbegehren gegen TTIP – Thema 10/14 Freier Handel
„Gerade für kleine Unternehmen gibt es viele Barrieren“
Hugo Benten Sattler über die Chancen eines neuen Freihandelsabkommens – Thema 10/14 Freier Handel
Recht auf Wasser
Die Privatisierung eines Menschenrechts ist nicht immer sinnvoll – Thema 10/14 Freier Handel
Branchenprobleme
Intro – Gut informiert
Journalismus im Teufelskreis
Teil 1: Leitartikel – Wie die Presse sich selbst auffrisst
„Nicht das Verteilen von Papier, sondern Journalismus fördern“
Teil 1: Interview – Der Geschäftsführer des DJV-NRW über die wirtschaftliche Krise des Journalismus
Pakt mit dem Fakt
Teil 1: Lokale Initiativen – Das Zentrum für Erzählforschung an der Uni Wuppertal
Teuer errungen
Teil 2: Leitartikel – Der öffentlich-rechtliche Rundfunk muss bleiben – und besser werden
„Die Sender sind immer politisch beeinflusst“
Teil 2: Interview – Medienforscher Christoph Classen über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk
Aus den Regionen
Teil 2: Lokale Initiativen – Das WDR-Landesstudio Köln
An den wahren Problemen vorbei
Teil 3: Leitartikel – Journalismus vernachlässigt die Sorgen und Nöte von Millionen Menschen
„Das Gefühl, Berichterstattung habe mit dem Alltag wenig zu tun“
Teil 3: Interview – Medienwissenschaftlerin Marlis Prinzing über Haltung und Objektivität im Journalismus
Von lokal bis viral
Teil 3: Lokale Initiativen – Die Landesanstalt für Medien NRW fördert Medienvielfalt
Nicht mit Rechten reden
Der „cordon sanitaire médiatique“ gibt rechten Parteien keine Bühne – Europa-Vorbild Wallonien
Der Vogelschiss der Stammesgeschichte
Wenn Menschenrechte gleich Lügenpresse sind – Glosse
Ich, Menschenfeind
Intro – Rechtsabbieger
Faschismus ist nicht normal
Teil 1: Leitartikel – Der Rechtsruck in Politik und Gesellschaft – und was dagegen zu tun ist
„Radikalisierung beginnt mit Ungerechtigkeitsgefühlen“
Teil 1: Interview – Sozialpsychologe Andreas Zick über den Rechtsruck der gesellschaftlichen Mitte