Mathieu Sapin hat für eine Comic-Reportage François Hollande in seinem Wahlkampf begleitet, bei Hollandes Gegner Sarkozy trat Gérard Depardieu auf die Bühne. Kurz darauf wurde Sapin für eine Reportage über Depardieu angefragt, und schon bald bereut Sapin seine voreilige Zusage: Er begleitet ihn für „Gérard – Fünf Jahre am Rockzipfel von Depardieu“ immer wieder auf Reisen, bei öffentlichen Terminen und privat und lernt den französischen Weltstar so manches Mal genauer kennen, als ihm lieb ist. Sapin zeigt einen Mann der Extreme, immer offen, selten taktvoll, der weder sich noch andere schont. Eine faszinierende, mal sympathisch offene, aber auch nicht immer angenehme Gestalt, aus der Sapin das volle komödiantische Potential schöpft und sie zugleich mit der gebotenen Ernsthaftigkeit porträtiert (Reprodukt). Die Verfilmung des Comics „The Death of Stalin“ von Fabien Nury und Thierry Robin startet Ende März im Kino. Der Comic erschien im französischen Original bereits im Jahr 2014 und erzählt vom bösartigen Gerangel um die Macht, nachdem Stalin das Zeitliche gesegnet hat. Mit viel schwarzem Humor, der den politischen und sozialen Hintergrund der Geschichte, die hier vermutlich stark zugespitzt wird, aber nicht überdeckt, erzählen die Künstler – aufwändig in düsteren Zeichnungen erzählt – von den frühen Tagen des Kalten Kriegs in Russland. Die deutsche Ausgabe des Comics erscheint zeitgleich zum Filmstart (Splitter).
Die andere Weltmacht hat sich auch der dritte und bislang letze Teil von „Die besten Feinde – Eine Geschichte der Beziehungen der Vereinigten Staaten mit dem Nahen Osten“ vorgenommen. Der jüngste Band der Comicreportage von Jean-Pierre Filiu und David B. umfasst die Jahre 1984 bis 2013, nachdem sich die beiden vorherigen Alben mit den Jahren 1783-1953 und 1953-1984 beschäftigt hatten. Es wird also immer ausführlicher, David B.s Zeichnungen bleiben indes gewohnt wild, assoziativ, symbolisch und surreal (Avant Verlag). Nach „Der Ursprung der Welt“ formuliert Liv Strömquist nun ihre feministischen Thesen zum „Ursprung der Liebe“. Die Erfindung der romantischen Liebe dekonstruiert sie ebenso wie die Kategorien männlich und weiblich. Ihren historischen Abriss unterfüttert sie mit vielen Quellen, verliert darüber aber nicht ihren Humor, der ebenso schnoddrig ist wie die Schwarzweiß-Zeichnungen (Avant Verlag).
Thomas Wellmann erzählt Anekdoten aus dem Leben der drei lauten und wilden Provinzmädchen „Nika, Lotte, Mangold!“. Die gehen zur Schule, finden Jungs in der Regel doof, machen aber selber auch viel sogenannten Jungskram. Ein fröhlicher und kunterbunter Angriff auf die Geschlechterklischees. Altersempfehlung wahrscheinlich wie bei MB-Spielen: 9 - 99 (Rotopol). Drei Bände mit Interpretationen des Disney-Universums von aktuellen französischen Zeichnern sind bislang erschienen. Nach Loisel, Trondheim & Keramidas sowie Cosey ist im letzten Band „Die jungen Jahre von Mickey“ nun Tebo an der Reihe. Und der erzählt von Mickeys Abenteuern wie in einem Schelmenroman. Denn der alte Mickey blickt auf seine Jugend zurück und erzählt seinem Enkel allerlei Geschichten aus dem Wilden Westen, dem Dschungel oder dem Weltall, die er wohl ziemlich skrupellos ausgeschmückt hat. Die Rahmenhandlung um die aberwitzigen Anekdoten und die selbstreflexiven Momente manchen Tebos Band zu einer kurzweiligen Hommage, die die Welt des Originals in Frage stellt und zugleich feiert (Egmont).
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