Die Gesellschaft für Konsumforschung GfK ist eines der größten Marktforschungsinstitute in Deutschland und befragt regelmäßig Tausende von Bürgern über ihr Verbraucherverhalten. In der jüngst vorgelegten Studie werden im Namen der FFA die 75 erfolgreichsten Filme des Jahres 2011 bzw. deren Besucher nach allen sinnvollen – und leider manchmal auch weniger sinnvollen – Regeln der Empirie erfasst. Während beispielsweise Alter, Geschlecht und Bildung nachvollziehbare demographische Merkmale bilden, führen die Merkmale Haushaltsgröße oder das Haushalts-Nettoeinkommen zu wenig Erkenntnisfortschritt oder sinnvollen Interpretationen. Unter den 75 Topsellern des Vorjahres waren 16 deutsche und nur ein Dokumentarfilm. Wim Wenders Dokumentarfilm „Pina“ über das Tanztheater Pina Bausch belegte mit mittlerweile 500.000 Besuchern Platz 73.
Neben dieser Platzierung, die für einen Dokumentarfilm über ein Tanztheater trotzdem noch erstaunlich hoch ist, hat „Pina“ bei anderen Kriterien eine zum Teil erstaunliche Spitzenstellung eingenommen. So ist beispielsweise das Publikum bei „Pina“ mit Abstand am ältesten. Kein anderer Film hat die Hälfte seines Publikums in der Altersklasse über 60. Insgesamt waren überhaupt nur 8% der Besucher jünger als 30 Jahre. Der Film mit dem zweitältesten Publikum war „Das Schmuckstück“ von François Ozon, gefolgt von „The King‘s Speech“ und „Almanya“. Logische Folge dieser Altersstruktur ist, dass, sortiert nach dem Kriterium Berufsgruppe, Rentner mit 50% den höchsten Besucheranteil realisierten. Befragt nach dem höchsten Berufsabschluss, hat „Pina“ insgesamt das „gebildetste“ Publikum angesprochen, denn knapp 70% hatten ein Abitur und Studium vorzuweisen, während dies nur für 50% des gesamten Kinopublikums gilt.
Neben diesen soziodemographischen Faktoren wurden auch kino- und filmspezifische Merkmale abgefragt. Auch hier sind der Wochentag, die Uhrzeit der Vorstellung, die Frage der Besuchsplanung von untergeordnetem Interesse, aufschlussreicher sind vielmehr das Ausgabeverhalten und die Bewertung der Filme. Eine besondere Position nimmt „Pina“ auch bei der Frage nach der Anzahl der Begleitpersonen ein. Während durchschnittlich nur 10% aller Kinobesucher allein ein Kino aufsuchen, erreicht das „Pina“-Publikum mit 37% Einzelgängern den mit Abstand höchsten Wert. Und noch eine weitere Einzelstellung nimmt „Pina“ im Bereich der Frage ein, wie das Publikum auf den Film aufmerksam wurde. Während über alle Filme hinweg nur 4% der Besucher sich durch einen Fernsehbericht inspirieren lassen, sind es bei „Pina“ 26% gewesen.
Bei der Bewertung des Films haben die Zuschauer von „Pina“ eine Durchschnittsnote von 1,49 vergeben, besser war lediglich „Harry Potter“ mit 1,4. Der Nebenumsatz ist für Kinobetreiber immer eine wichtige Größe, er lag im Durchschnitt bei 3,54 € pro Kopf. Das „Pina“-Publikum war das mit Abstand sparsamste, denn hier wurden nur 0,50 € pro Besucher für Süßwaren und ähnliches ausgegeben. Denn 85% der Besucher konsumierten gar nichts, der Rest teilte sich offenbar ein Mineralwasser.
Zusammenfassend könnte man zu dem Schluss kommen, dass das Publikum von „Pina“ alt, einsam, schlau und geizig ist. Aber wie sagte schon Goethe: Durch Zahlenspiel ersetzt der Irrende, was ihm an Wahrheit und an Kräften fehlt.
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