Ghost in the Shell
USA 2017, Laufzeit: 106 Min., FSK 16
Regie: Rupert Sanders
Darsteller: Scarlett Johansson, Michael Pitt, Juliette Binoche, Chin Han, Pilou Asbæk
>> www.ghostintheshell-film.de/
Bildgewaltige Cyborg-Dystopie
Die Gedanken sind frei
„Ghost in the Shell“ von Rupert Sanders
Im Jahr 1989 schuf der japanische Manga-Künstler Masamune Shirwo das düstere Zukunftsszenario „Ghost in the Shell“. Die nachfolgende Zeichentrick-Adaption verhalf dem Anime-Film zu internationaler Bedeutsamkeit, der Stoff zog Videospiele und Fernsehserien nach sich. Jetzt, knapp 30 Jahre später, nimmt sich Hollywood des Stoffes an und liefert das entsprechende Science-Fiction-Spektakel. Scarlett Johansson verkörpert darin die hübsche Major, die in naher Zukunft nach einem schweren Unfall erwacht. Ihr Körper wurde ordentlich in Mitleidenschaft gezogen, doch die Ärztin (Juliette Binoche) bietet Trost: „Wir haben dir einen neuen gebaut.“ Sprich: Major ist von nun an ein Cyborg. Derlei Möglichkeiten sind in der Wirklichkeit dieser Dystopie zwar gang und gäbe, allerdings nicht so allumfassend wie bei unserer Heldin. Die sieht sich dann auch schon kurz nach dem Wiedererwachen entsprechenden Erwartungen ausgesetzt: „Wir haben dich gerettet, und jetzt rettest du andere!“ Und schon ist Major Teil des Sonderkommandos Sektion 9, das Jagd macht auf einen Cyber-Terroristen (Michael Pitt). Der nämlich hackt sich fleißig in den Verstand seiner Mitmenschen. Major indes zweifelt schon bald an ihrem eigenen, sprich: Die Terroristenjagd gerät zur Suche nach sich selbst.
Tja, wie viel Mensch, wie viel Identität steckt noch in mir? Das dürfen sich natürlich nicht bloß Cyborgs fragen. Tun sie auch nicht, im Arthouse-Kino wird derlei ja regelmäßig angeregt diskutiert – von Mensch zu Mensch. Der Blockbuster hingegen benötigt Show-Werte, von daher ist ein Cyborg mit Rest-Verstand für Hollywood tendenziell die interessantere Variante. Das wissen wir spätestens, seitdem der schwer verletzte Polizist Alex Murphy als Roboter wieder auferstanden ist und neben allerhand Schwerkriminellen vor allem eines suchte: seine Identität („RoboCop“, 1987). Cyborgs sind im Kino eine wiederkehrende Konstante und geben, ähnlich wie ihre verwandte Gattung, die Androiden, Anlass zur philosophischen Vertiefung in Sachen Menschsein und Menschlichkeit. Von daher findet dieser Genre-Streifen auch durchaus Platz im Arthouse-Kino. Wer möchte, darf die Frage sogar noch weiter spinnen: So wie unsere Heldin ein synthetisches Wunderwerk ist, gestaltet sich die Welt von „Ghost in the Shell“ als ein überbordend synthetisches Wunderland. So wie Major ihre Wahrhaftigkeit hinterfragt, darf man am Ende auch die des über weite Teile computergenerierten Films in Frage stellen.
Die Story bewegt sich treu im Kosmos von Shirwo und folgt gradlinig dem Storytelling seiner Zeit. Ein Bezug zur medialen Gedankenmanipulation unserer Wirklichkeit hätte sich angeboten. „Ghost in the Shell“ aber verzichtet auf ein inhaltliches Upgrade und bewegt sich stattdessen vornehmlich technisch auf dem neuesten Stand. Regisseur Rupert Sanders („Snow White & the Huntsman“) dirigiert ein kurzweiliges Effektfeuerwerk, in dem wir mit Scarlett Johansson in eine phantastische Welt eintauchen und einmal mehr Takeshi Kitanos („Sonatine“, „Hanna-bi“) wundersamer Aura beiwohnen dürfen.
(Hartmut Ernst)
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