Meine Stunden mit Leo
Großbritannien 2022, Laufzeit: 97 Min., FSK 12
Regie: Sophie Hyde
Darsteller: Emma Thompson, Daryl McCormack, Isabella Laughland
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Englisches Kammerspiel mit Topp-Besetzung
Lust auf Lust
„Meine Stunden mit Leo“ von Sophie Hyde
Die einzigen Orgasmen, die Nancy bisher kennt, sind ihre vorgespielten und die ihres nun verstorbenen Ehemanns. Nun ist sie Mitte 50 und möchte daran etwas ändern: sie hat ein Hotelzimmer gebucht und einen schönen jungen Mann. Nancy (Emma Thompson) war Lehrerin, und die Begegnungen mit Leo Grande, so nennt er sich, will sie ähnlich kontrolliert und strukturiert angehen wie ihre Arbeit. Zum Beispiel beabsichtigt sie, beim zweiten Treffen nacheinander diverse Praktiken zu üben, die ihr in ihrem Eheleben vorenthalten wurden. Vorsichtshalber hat sie sich das alles notiert, nicht dass was vergessen wird ... Dabei steht ihr nicht nur im Weg, dass sie fürchterliche Angst hat und die Selbstzweifel einer ahnungslosen, verletzlichen, nicht mehr jungen Frau. Auch Leo Grande (Daryl McCormack) lässt sich nicht so leicht dirigieren, wie sie sich das vorgestellt hat. Zum Glück, wie sich herausstellt. Steht zu Beginn des Films noch zu befürchten, dass er ein hübscher Posterboy bleiben könnte, entwickelt er sich zügig zu einem Partner auf Augenhöhe.
Das trifft auch auf die beiden Akteure zu. Leicht könnte Jede:r von der legendären Emma Thompson in den Schatten gestellt werden. Doch die beiden haben vor den Dreharbeiten ausgiebig geprobt und sich währenddessen täglich gemeinsam auf den nächsten Drehtag vorbereitet. Dabei haben sie so viel Vertrauen gefunden, dass sie am Set auf einen Intimitäts-Coach verzichteten. Sie bilden vor der Kamera ein großartiges Paar. Fast komplett spielt der Film in einem modernen anonymen Hotelzimmer, wo sich die beiden vier Mal treffen. Nur in einer Szene tritt eine weitere Schauspielerin auf. Die Treffen sind nicht nur hilfreich bei Nancys sexueller Befreiung, beide müssen sich auch unerwartet mit ihren Selbstbildern beschäftigen, ihrer Moral und ihren Wertvorstellungen. Das ist manchmal rührend und oft witzig, was an den Dialogen liegt und daran, wie sie gespielt sind. Beide Darsteller:innen zeigen intelligente Höchstleistungen.
Das Drehbuch stammt von der Autorin Katy Brand, Regie führte Sophie Hyde, doch an der Kamera stand ein Mann, Bryan Mason, der den Film auch geschnitten hat. Zwar gibt es keine expliziten Sexszenen, doch die Intimität dieser Treffen zu filmen war dennoch delikat, insbesondere bei Nacktszenen. Dabei spielen die Lichtstimmungen eine wichtige Rolle. Diese und die Bildgestaltung wandeln sich, ebenso der Stil der Kleidung und übrigens auch Make-up und Frisuren von Emma Thompson von Szene zu Szene: langsam wird es weniger geordnet, wird lockerer. Die Botschaft des Films, dass sich kein Mensch für seinen Körper, seine Sehnsucht, sein Verlangen schämen soll, entwickelt sich erfreulicherweise nicht immer erwartbar. Ebenso erstaunlich ist der falsche Orgasmus, den Emma Thompson präsentiert. Nur so viel: Mit dem berühmten Vorgänger von Meg Ryan in „Harry und Sally“ hat er nichts gemeinsam.
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