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Fluchtlinien

30. November 2017

Große Flüchtlingskrise und kleine Fluchten im Comic – ComicKultur 12/17

Immer häufiger widmen sich Comics aktuellen Fluchtlinien. Gerade wurde an dieser Stelle mit „Liebe deinen Nächsten“ über Rettungsaktionen im Mittelmeer besprochen. Nun erscheinen zwei weitere Comic-Reportagen zum Flüchtlingsthema: In „Der Riss“ verfolgen die Journalisten Carlos Spottorno und Guillermo Abril Fluchtwege quer durch Europa – von Nordafrika über Bulgarien nach Calais und Finnland. Grafische Basis sind bearbeitete Fotos, Texttafeln erläutern das Bildmaterial. Das wirkt zunächst spröde, entfaltet in seiner Detailliertheit und Fülle aber ein umfassendes Bild der Krise (Avant Verlag). Der Comic-Journalist Olivier Kugler konzentriert sich mit „Dem Krieg entronnen“ auf syrische Flüchtlinge, die er im Irak, in Griechenland, Frankreich, England und Deutschland besucht. Die vielschichtigen Zeichnungen funktionieren wie Wimmelbilder, aus denen sich langsam Biografien herausschälen (Edition Moderne).

Vorangestellt ist dem neuen Werk „Die zwei Leben von Balduin“ von Fabien Toulmé ein Zitat von Konfuzius: „Wir haben zwei Leben – das zweite beginnt in dem Moment, in dem wir erkennen, dass wir nur eines haben.“ Genau dieses Phänomen widerfährt dem Protagonisten Balduin, als er erfährt, dass er nur noch wenige Monate zu leben hat. Sein Bruder holt ihn aus dem ersten Schock und zeigt ihm die Chancen, die in der Krankheit stecken. Balduin, der bislang ein frustriertes Leben zwischen Überstunden und Singledasein lebte, lernt das Leben kennen. Toulmé nimmt uns mit seinen zunehmend farbenfrohen Zeichnungen auf eine berührende Reise, die einem am Schluss die Tränen in die Augen treibt (Avant Verlag). Ganz ohne Text kommt „Gloaming“ von Keaton Henson aus. Henson visualisiert darin seine Kindheitsfantasie, dass seine Welt der britischen Vororte bevölkert ist von Monstern, die wir nicht sehen können. Die oft überdimensionalen Figuren kauern traurig in Vorgärten, schweben entmutigt über Hausgiebel oder schleichen schlaff über Brachland, die filigranen schwarz weiß Zeichnungen unterstreichen die melancholische Stimmung. Genau das richtige für Herbst und Winter (Luftschacht).

Die studierte Architektin Katharina Greve hat bereits einige sehr tolle Comics gemacht, in denen Räume eine große Rolle spielen, doch erst mit „Das Hochhaus“ hat sie ihre Professionen gleichberechtigt nebeneinander gestellt. Als Webcomic hat sie über zwei Jahre lang jede Woche die tragikomischen Ereignisse in einer neuen Etage gezeichnet, bis schließlich ein Haus mit 102 Etagen und ebenso vielen Stories fertig war, die nicht nur in ihrer Etage bleiben, sondern ein fröhliches Netz aus Zusammenhängen durch das ganze Haus entfalten. Als Buch ist das Werk nun beim Avant Verlag erschienen, als Buchrolle etwas teurer bei Round not Square.

G.B. Trudeaus Strip „Doonesbury“ erscheint seit mehreren Dekaden in unzähligen US-Zeitungen; sein von Zeitgeschichte durchdrungenes Figurenarsenal hat viele Fans. Es gibt aber mindestens einen, der „Doonesbury“ echt scheiße findet: Trump. Denn seit 1988 kommt The Donald immer wieder in der Serie vor. Und das natürlich in allen Schattierungen seiner Besorgnis erregenden Psyche. „Trump!“ versammelt diese Strips und zeigt auf erschreckend komische Art, dass der schräge Typ, der inzwischen Präsident der Vereinigten Staaten ist, wohl immer schon so war wie er ist (Splitter).

Christian Meyer-Pröpstl

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