Es liegt nicht an fehlenden Angeboten, dass die Bereitschaft, ein Buch in die Hand zu nehmen, im digitalen Zeitalter bedenklich ins Stocken geraten ist. Die Faszination für Bücher, Geschichten und das Vorlesen ist ungebrochen, insbesondere bei Kindern. Vor genau zehn Jahren rief die Journalistin Ute Wegmann mit „Heimspiel“ ein bundesweit einzigartiges Projekt ins Leben. Am Weltkindertag veranstaltete sie 60 Lesungen in Kölner Schulen. Ein Heimspiel, weil auch die Autoren allesamt in Köln leben. Um von der Grundschule bis zum Gymnasium alle Beteiligten miteinzubeziehen, gibt es seither jeden Sommer eine Ausschreibung, bei der sich die Schulen bewerben können.
Das Projekt stieß prompt auf große Begeisterung, sodass die Bewerbungskontingente schnell ausgeschöpft waren. „Heimspiel ist mein Baby. Es war ein Riesenvergnügen, das Format aufzubauen. Was einfach auch an dem enormen Feedback lag. Man hat ja nur mit zufriedenen Menschen zu tun“, erinnert sich Ute Wegmann. Die Finanzierung funktionierte über Förderungen und einen Obolus für jedes teilnehmende Kind. So konnten an einem Tag rund 4.000 Kinder den Autoren ihrer Stadt lauschen, die vom Bilderbuch bis zum Coming-of-Age-Roman das gesamte Spektrum der Kinder- und Jugendliteratur abdeckten. Die Besuche waren immer auch Begegnungen mit Menschen, deren Beruf das Schreiben ist. Ein Metier, das Kinder interessant finden und über das man schnell ins Gespräch kommt. Literatur ist plötzlich nicht mehr nur Lehrstoff, sondern unmittelbarer Teil des Lebens.
„Mutig“ zeigen sich die Schriftsteller auch zu Corona-Zeiten, wie Ute Wegmann lachend erklärt. So wurde auch im vergangenen Herbst wie in jedem Jahr gelesen. Zum Jubiläum am 22. November gibt es allerdings nur 20 Lesungen, weil die Förderung in Teilen eingebrochen ist. Ein Rezept des Erfolgs dieser nun schon traditionellen Veranstaltung liegt in der Zufriedenheit der Lehrer, die das unprätentiöse Auswahlverfahren schätzen. Vor allem jedoch in der Dankbarkeit der Kinder. In diesem Jahr konzentriert sich „Heimspiel“ auf die zweiten Klassen der Grundschulen. „Weil die Kinder, die 2020 in die Schule gekommen sind, den denkbar schwierigsten Start hatten“, sollen sie nun bevorzugt werden, meint Ute Wegmann. Den Kindern wird so schon früh der Einstieg in die Welt der Literatur ermöglicht. Und diese bietet ihnen die Chance, über den eigenen Gartenzaun in fremde Kulturen zu schauen.
Heimspiel | 22.11. | div. Schulen in Köln | www.koelner-autoren-lesen.de
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