Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
27 28 29 30 31 1 2
3 4 5 6 7 8 9

12.626 Beiträge zu
3.848 Filmen im Forum

Foto: Lina Scheynius

Die Liebe und ihre Widersprüche

30. Oktober 2025

„Tagebuch einer Trennung“ von Lina Scheynius – Textwelten 11/25

„Man muss so lieben, dass sich der geliebte Mensch frei fühlt.“ Eine sympathische Erkenntnis, nur erlebt Lina Scheynius genau das Gegenteil. Nach sechs Jahren Beziehung legt ihr Freund einen Brief aufs Kopfkissen, in dem er die Trennung von ihr formuliert. Darüber kommt Lina nur schwer hinweg.

Im Netz ist Lina Scheynius keine Unbekannte. Die heute 44-jährige Schwedin machte sich zunächst als Model einen Namen. Später erlangte sie überraschende Popularität als Fotografin mit intimen Stillleben und Aktaufnahmen von sich. Seither ist sie eine international erfolgreiche Künstlerin. In ihrem jetzt veröffentlichten Tagebuch hingegen beschreibt sie sich als eine in sich gekehrte, äußerst verletzliche Person. Zwar kämpft sie entschlossen gegen jede Art von emotionaler Abhängigkeit, aber dann erliegt ihr Stolz doch wieder der Sehnsucht nach dem ehemaligen Geliebten. Gefühle lassen sich eben nicht an- und abstellen.

Tagebücher nehmen mit dem Alltag auch dessen Wiederholungen auf und vermerken sie letztlich wie ein Kassenbuch des Lebens. So rekapituliert auch Lina Scheynius noch einmal die guten Momente ihrer Beziehung, blickt auf sexuelle Begegnungen, die schon einen anderen Ton anschlagen, denn sympathisch findet sie ihren Ex nun immer weniger. Und doch mag sie nicht von ihm lassen.

Obwohl sie sich an seinem schwierigen Charakter abarbeitet, rückt sie im Laufe dieses Prozesses doch selbst immer mehr ins Bild. Die interessantesten Passagen des Buches bestehen deshalb aus jenen Momenten, in denen sie sich ganz dem Nachdenken hingibt über die Liebe, den Sex, die eigene Herkunft und die Frage, ob die Mutterschaft das Richtige für sie sei. Plötzlich bekommt der Text Flügel und es stellt sich eine sympathische Intimität ein. Dazu passen ihre scheinbar unspektakulären Fotos, die das fein gestaltete Buch in ein geschmackvolles Objekt verwandeln. Lina versucht, wieder bei sich zuhause zu sein, fotografiert ihren Teller, tanz nur mit einem Hemd bekleidet in ihrem Zimmer oder sitzt nachsinnend vor dem Laptop. Nach viel weidwundem Klagen beginnt die Wunde langsam zu verheilen und verwandelt sich in ein smartes kleines Kunstwerk.

Lina Scheynius: Tagebuch einer Trennung | A. d. Engl. v. Eva Bonné | AKI-Verlag | 272 S. | 23 Euro

Thomas Linden

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen?
Als unabhängiges und kostenloses Medium ohne paywall brauchen wir die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser. Wenn Sie unseren verantwortlichen Journalismus finanziell (einmalig oder monatlich) unterstützen möchten, klicken Sie bitte hier.

Neue Kinofilme

No Hit Wonder

Lesen Sie dazu auch:

Inmitten des Schweigens
„Aga“ von Agnieszka Lessmann – Literatur 11/25

Ehelos schwanger auf dem Land
„Das Mädchen vom Moorhof“ im Stadthaus

Mut zum Nein
„Nein ist ein wichtiges Wort“ von Bharti Singh – Vorlesung 10/25

In Bewegung bleiben (müssen)
Szenische Lesung in der Kölner Tanzfaktur

Kindheitserinnerungen
„Geheimnis“ von Monika Helfer und Linus Baumschlager – Vorlesung 10/25

Die Front zwischen Frauenschenkeln
„Der Sohn und das Schneeflöckchen“ von Vernesa Berbo – Literatur 10/25

Im Spiegel des Anderen
„Der Junge im Taxi“ von Sylvain Prudhomme – Textwelten 10/25

Alpinismus im Bilderbuch
„Auf in die Berge!“ von Katja Seifert – Vorlesung 09/25

Keine Angst vor Gewittern
„Donnerfee und Blitzfee“ von Han Kang – Vorlesung 09/25

Roman eines Nachgeborenen
„Buch der Gesichter“ von Marko Dinić – Literatur 09/25

Süß und bitter ist das Erwachsenwerden
„Fliegender Wechsel“ von Barbara Trapido – Textwelten 09/25

Geteilte Sorgen
„Lupo, was bedrückt dich?“ von Catherine Rayner – Vorlesung 08/25

Literatur.