Schriftsteller live erleben, auch Typen dieses Menschenschlags, plus Gedanken rund ums Schreiben: Dies und mehr bietet seit 2012 die Wuppertaler Literaturbiennale, und auch dieses Jahr findet das Wort sein Festival mit Motto: „Tier, Mensch, Maschine – Berührungen“ findet (Stand 15.10.) statt, wenn auch gestutzt und umgeplant. ++ Stand 3.11.: Alle Veranstaltungen sollen nun online stattfinden, den Link finden Sie unten. – Red. ++
Eine Pointe zum Thema drängt sich auf, ging doch die Corona-Pandemie von einem Tier aus und steht so für eine folgenschwere Verbindung zwischen Mensch und Kreatur. Nicht erst dieses Jahr glänzt die Biennale durch Gegenwärtigkeit. Doch war nun diese Aktualität so wenig gewollt wie geplant. Und auch dass Autoren passen, hat manchmal eigene Gründe.
Aktuelle Romane
Norbert Scheuer etwa, der am 7.11. in der Zentralbibliothek seinen Roman „Winterbienen“ vorstellt, bewies schon zur Biennale 2016 Affinität zu fliegenden Mitgeschöpfen („Die Sprache der Vögel“). Nun werden bei ihm Bienenstöcke in der Nazizeit zum Fluchtversteck, während der österreichische Autor Christoph Ransmayr seinen historischen Ausflug ins Jahr 1757 („Cox oder Der Lauf der Zeit“) coronabedingt absagen musste.
Andere Beiträge bringen erwartbar den Zeitsprung nach vorn und behandeln Maschinisierung in der Zukunft. So im Roman „Germany 2064“, mit dem Martin Walker das Programm am 5.11. in Elberfelds Citykirche international eröffnet: In einem halb technokratischen Deutschland steckt vielleicht ein Roboter hinter einer Entführung, und bei einem Überfall wird Seuchenarznei erbeutet. Am 7.11. locken drei Romanautoren vereint in die Sophienkirche, darunter Arthur Dziuk: „Das Ting“ entwirft ein an Frankenstein gemahnendes Szenario mit einer App, der ihre eigenen Entwickler sich unterwerfen müssen.
Lyrik und Magazine
Auf einen Ort konzentriert werden sollte auch der Lyrikteil der Biennale: Im Loch muss der „Lyriksalon“ nun aber ausfallen, als Performance konzipiert und unter den aktuellen Regeln nicht zu realisieren. Ein großer Wermutstropfen.
Nicht nur etwas Trost bringt da der regionale Part, der zum Teil gleichfalls Lyrisches und Performatives enthält – komplett im Café Ada. Die Bündelung aus Pandemie-Gründen erleichtert auch den Überblick zur Pluralität der Szene: Mitglieder des VS (Verband deutscher Schriftsteller) erinnern besonders an die Prägung des Bergischen Lands durch die Natur, darunter Anja Liedtke, die kunstvolles „nature writing“ treibt. Mit „Karussell“ und „neolith“ wiederum präsentieren sich gleich zwei Literaturmagazine. Zudem u.a. Thorsten Krämer mit Kurzessays samt Sound-Support – gewiss so tierisch wie gehaltvoll.
Halten unsere Haltungen?
Überhaupt Reflexion und Rahmen dazu: Am Sonntag spricht die Philosophin Svenja Flaßpöhler im Skulpturenpark mit Autor Ilija Trojanow zur Frage „Halten unsere Haltungen?“, bezogen auf die Krisen rund um Corona und Klima. Letzterer präsentiert hier im Anschluss zudem seinen Roman „Eistau“ um einen Klimaretter auf einem Kreuzfahrtschiff.
Schon vorab gibt's in der Park-Halle wie stets den Preis der Biennale: 2020 erhalten ihn Philipp Böhm und (Förderpreis) Astrid Gläsel. Gleichfalls fast gesetzt: der Autor John von Düffel, heute zeigt er „Empathie mit dem Baggersee“. Mit Vorgeschichte: Zum nassen Element hatte der Schriftsteller schon 1988 mit seinem Debütroman „Vom Wasser“ Sympathie offenbart – und 2007 in der Schwimmoper dazu gelesen. Manchmal ziehen sich Traditionen durch die Zeit… nicht nur bei Tieren und Technik.
Wuppertaler Literatur Biennale | 5. - 8.11. | Digital: www.wuppertal.de/microsite/kulturbuero/projekte/literaturbiennale/literaturbiennale.php
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