Alles für meinen Vater
D/ISR 2008, Laufzeit: 100 Min., FSK 12
Regie: Dror Zahavi
Darsteller: Hili Yalon, Shlomo Vishinsky, Shredi Jabarin, Rosina Kambus, Shadi Fahr-Al-Din
Als der Sprengstoffgürtel eines Palästinensers nicht zündet, verschlägt es einen Selbstmordattentäter ins Feindgebiet. Nur findet er dort keine Feinde.
An einem Freitag steht der junge Palästinenser Tarek (Shredy Jabarin) auf dem Carmel-Markt in Tel Aviv und hat einen Sprengsatz gegürtelt. Als er inmitten der Menschenmenge den Zünder tätigt, bleibt die Explosion aus. Der Mechanismus ist defekt. Mit seinen Komplizen verabredet Tarek via Handy, dass er den Fehler reparieren lassen und die Bombe zwei Tage später zünden wird. Für die Nächte nistet sich Tarek bei einem alten Kauz, dem Juden Katz (Shlomo Vishinsky) ein und hilft ihm dafür bei der Reparatur seines Dachs. In der Nachbarschaft beobachtet er die junge, weltoffene Keren (Hili Yalon), die einen Kiosk betreibt und sich gegen die Anfeindungen streng orthodoxer Juden zur Wehr setzen muss. Die Zeit und die Begegnungen bieten dem Selbstmordattentäter Gelegenheit, sein Vorhaben und seine Motivation zu überdenken. Doch der Weg zurück scheint versperrt: Der Sprengstoffgürtel ist untrennbar mit Tarek verbunden.
Fügungen und Schicksale sind hier allesamt sehr zielgerichtet verknüpft, womit sich „Alles für meinen Vater“ formell als Parabel gestaltet, die sich auch mal der Glaubwürdigkeit widersetzt, um von der Wahrheit zu erzählen. Ein trivialer Rahmen also, der sich jedoch über die Dialoge zu einer bewegenden, melancholischen und gehaltvollen Inszenierung entwickelt. Das manifestiert sich vor allem in den Gesprächen der beiden jungen Protagonisten, die nicht mehr zu Hause sind in ihrer eigenen Heimat: Tarek trägt die Last der Familienehre auf seinen Schultern, Keren hat eine uneheliche Schwangerschaft entehrt: Beide müssen sich gleichermaßen der fundamentalistischen Auslegung gesellschaftlicher Werte stellen. Das verdichtet Zahavi klug und ebenso tragisch wie humorvoll.
„Alles für meinen Vater“ ist in erster Linie keine Auseinandersetzung über religiös motivierte Selbstmordattentäter. Schon allein, weil Tarek der allgemeinen Vorstellung eines Gotteskriegers nicht entspricht. Tarek geht nicht nach Tel Aviv aus Hass oder Rachegelüsten. Tarek hat nicht einmal ein klares Feindbild. Sein Schritt ist persönlich motiviert, und er ergibt sich der Ausweglosigkeit. Sobald er gezwungen ist, unter seinen potentiellen Opfern zu verweilen, tritt der Film heraus aus der Selbstmordattentäter-Geschichte und verschiebt seinen Blickwinkel auf den universellen Soldaten, der plötzlich dazu gezwungen wird, seine Opfer kennenzulernen. Und dessen Überzeugung eben dadurch erschüttert wird. Natürlich bleibt der Film ein israelischer Film, der vom heutigen Israel erzählt. Ein Ort, so bemängelt es Katz, in dem es „keine Kultur, keine Romantik“ gibt. Der Film überzeugt glücklicherweise ein bisschen vom Gegenteil.
(Hartmut Ernst)
„Sprache ist größte Barriere und größte Brücke“
Jonas Nay über „Persischstunden“ – Roter Teppich 10/20
„Es geht bei Fassbinder um Machtstrukturen“
Oskar Roehler über „Enfant Terrible“ – Gespräch zum Film 10/20
„Das Kino wird vermisst!“
Petra Müller, Geschäftsführerin der Film- und Medienstiftung NRW, über den Stillstand der Branche – Interview 05/20
„Familienfilm mit politischer Haltung“
Dani Levy über „Die Känguru-Chroniken“ – Gespräch zum Film 03/20
„Das ist keine 08/15-Liebesgeschichte“
Paula Beer über „Undine“ – Roter Teppich 03/20
Kannste dir nicht ausdenken …
Neue Nachrichten aus einer verrückten Welt – Festival 02/20
„Bei Terrence Malick hat man viel mehr Zeit“
Valerie Pachner über „Ein verborgenes Leben“ – Roter Teppich 02/20
„Nicht alles erklären“
Patrick Vollrath über „7500“ – Gespräch zum Film 01/20
„Er lässt sich einfach nichts sagen“
Jan Bülow über „Lindenberg! Mach dein Ding“ – Roter Teppich 01/20
„Alle unsere Handlungen haben miteinander zu tun“
Julius Feldmeier über „Mein Ende. Dein Anfang.“ – Roter Teppich 12/19
Star mit großem Einfühlungsvermögen
Kinoprogrammpreisverleihung 2019 im Gloria – Foyer 11/19
„Corinna Harfouch ist eine Klasse für sich“
Jan-Ole Gerster über „Lara“ – Gespräch zum Film 11/19
„Das sind wirklich gefährliche Leute“
Jamie Bell über „Skin“ – Roter Teppich 10/19
„Der Film brauchte eine Bildgewalt“
Christian Schwochow über „Deutschstunde“ – Gespräch zum Film 10/19
Kurz und knackig
Kurz.Film.Tour. in der Lichtburg Oberhausen – Foyer 09/19
„Das Thema war in der DDR absolut tabu“
Bernd Böhlich über „Und der Zukunft zugewandt“ – Gespräch zum Film 09/19
„Sex-Tourismus ist ein interessantes Phänomen“
Anne Ratte-Polle über „Es gilt das gesprochene Wort“ – Roter Teppich 08/19
„Die Figur trägt 80% von mir in sich“
Frédéric Chau über „Made in China“ – Roter Teppich 07/19
Freundliche Grenzüberschreitung
Jim Jarmusch – Portrait 06/19
„Kinder finden sich viel schneller mit dem Tod ab“
Steffen Weinert über „Das Leben meiner Tochter“ – Gespräch zum Film 06/19
„Die Filme, die wirklich etwas für uns bedeuten, sind Kinofilme“
Sebastian Schipper über „Roads“ – Gespräch zum Film 06/19
„Das Leben geht weiter“
Regisseur Sven Taddicken über „Das schönste Paar“ – Gespräch zum Film 05/19
Interview mit Sabine Timoteo
Sabine Timoteo über „Wie ich lernte, bei mir selbst Kind zu sein“ – Roter Teppich 05/19
Aus weiblicher Perspektive
Internationales Frauenfilmfestival Dortmund/Köln – Festival 04/19
„Ich möchte mich nicht zensieren lassen“
Philippe de Chauveron über „Monsieur Claude 2“ – Gespräch zum Film 04/19