Amerikanisches Idyll
USA 2016, Laufzeit: 126 Min., FSK 12
Regie: Ewan McGregor
Darsteller: Ewan McGregor, Jennifer Connelly, Dakota Fanning
>> www.amerikanisches-idyll-film.de
Familiendrama aus einer aufreibende Epoche
Alles ist politisch!
„Amerikanisches Idyll“ von Ewan McGregor
In den 1950er Jahren lebt Seymour Levov (Ewan McGregor) den amerikanischen Traum: Er übernimmt die Handschuhfabrik seines Vaters, heiratet die ehemalige Schönheitskönigin Dawn (Jennifer Connelly) und bekommt mit ihr eine Tochter. Die Kleinfamilie lebt glücklich auf ihrer Farm in ländlicher Idylle. Die kleine Merry wächst heran. Sie stottert, die Therapeutin vermutet ein strategisches Bemühen um Aufmerksamkeit. Doch der Papa nimmt’s gelassen. Dann ist Merry (Dakota Fanning) 16, stottert noch immer und mit den 60er Jahren ziehen Wolken auf über der Nation: In der Ferne tobt der Vietnam-Krieg, in der Heimat herrschen Rassenunruhen. Merry steckt mitten in der Pubertät, rebelliert gegen Eltern sowie Regierung und radikalisiert sich. Eines Tages explodiert eine Bombe und Merry ist verschwunden. Seymours amerikanischer Traum wandelt sich in einen Albtraum.
Der amerikanische Schriftsteller Philip Roth lieferte 1997 mit seinem gleichnamigen Roman einerseits ein Portrait einer entzweiten Gesellschaft, in der die Jugend gegen die Eltern rebelliert. Zum anderen geht es ganz universell um die Familie, den Konflikt in den eigenen vier Wänden, den Zusammenhalt und die Angst vor dem Verlust. Die belesenen Kenner des Romans werden wissen, ob es eher der Vorlage oder der Adaption geschuldet ist, dass hier auf den ersten Blick ein ungehörig konservatives Bild gezeichnet wird: So erscheint die rebellierende Jugend entweder hoffnungslos naiv oder kaltblütig berechnend und das Frauenbild hängt absurd schief. Seymor indes erscheint als der einzige Mensch mit Vernunft. Der Optimist, der die Hoffnung nicht aufgibt. Der gute Amerikaner. Trotzdem geriert er nicht zur Witzfigur. Trotz besagter Einwände ist „Amerikanisches Idyll“ ein Film, der einen nicht zuvorderst die Nase rümpfen lässt, sondern der berührt. Wenn man ihn als Parabel versteht. Als melodramatische Odyssee, als Reise vom verklärten Traum in den Worst Case, auf der Seymour zum einen den erwähnten, stilisierten Typen begegnet. Auf der es aber zugleich erhabene Momente gibt, wenn sich der Film Zeit nimmt für seine Charaktere. Wie bei einem Täter-Opfer-Gespräch, in dem sich wundersam die Rollen verdrehen. Oder wenn man teilnimmt, wie sich Merry empört über frühe Fernsehbilder, die von Tod und Unrecht erzählen. Und wenn sie postuliert: „Alles ist politisch!“ Empörung, die man belächeln mag, die jedoch zugleich unsere heutige Abgestumpftheit entlarvt.
Der Film zeichnet gelungen das Stimmungsbild dieser Ära und erzählt von den Kindern jener Zeit. Von ihren verklärten Hoffnungen, ihren Ängsten, ihrer Empörung. Von blinder Angepasstheit und von blinder Wut. Von Rebellion und Verdrängung. Und davon, wie man sich irren kann in denen, die man liebt. Ewan McGregor („Trainspotting“, „Young Adam“, „Der Ghostwriter“) stemmt mit „Amerikanisches Idyll“ ein solides Regiedebüt, das auch durch die gelungene Gestaltung des Zeitkolorits und im Hinblick auf die Besetzung überzeugt.
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