Der andere Liebhaber
Frankreich, Belgien 2017, Laufzeit: 117 Min., FSK 16
Regie: François Ozon
Darsteller: Marine Vacth, Jérémie Renier, Jacqueline Bisset
>> www.derandereliebhaber-film.de/
Mysteriöser Psychothriller
Fleisch und Blut
"Der andere Liebhaber" von François Ozon
Der französische Filmemacher François Ozon ist immer wieder für eine Überraschung gut. Nachdem er zuletzt die seelischen Abgründe eines Transvestiten analysierte („Eine neue Freundin“) und von einer Weltkriegsfreundschaft erzählte („Frantz“) hat er sich nun mit „Der andere Liebhaber“ wieder an einer Romanadaption versucht, die mit den Mitteln des Suspense und des Doppelgänger-Motivs arbeitet. Frei nach dem Buch „Der Andere“ von Joyce Carol Oates entspinnt Ozon das Porträt einer Frau, Chloé (stark: Marine Vacth), die unter ständigen Bauchschmerzen leidet, deren Ursache mittlerweile in ihrer Psyche vermutet wird. Deswegen begibt sie sich bei Paul Meyer (charismatisch: Jérémie Renier) in psychologische Behandlung. Nach kurzer Zeit geht es Chloé tatsächlich besser, zudem hat sie sich in ihren Therapeuten verliebt und zieht mit ihm zusammen. Es dauert allerdings nicht lange, bis sie zufällig auf Louis Delord (ebenfalls Renier) stößt, der sich als Pauls eineiiger Zwillingsbruder erweist, der charakterlich jedoch völlig gegensätzlich ist. Paul weicht indirekten Fragen immer wieder aus und behauptet weiterhin, ein Einzelkind zu sein, während Chloé sich heimlich auch immer häufiger mit Louis trifft und ihn zu ihrem Geliebten macht. Mit Louis lebt sie eine völlig andere Form des Sex aus, was sie vor weitere Probleme stellt, als sie schwanger wird.
Wie schon so oft erweist sich François Ozon wieder als absoluter Kinoästhet, der jede einzelne Szene seines Films bis in die kleinsten Details durchkomponiert hat. Da gibt es nirgendwo eine Fussel oder ein falsches Härchen, die Räume, die Kleidung und das Make-up der Darsteller sind stets von einer makellosen Perfektion. Das wirkt natürlich auch ziemlich künstlich und verleiht der Erzählung eine unnahbare Kühle, die den Zugang zu ihr und ihren Figuren einigen Zuschauern erschweren dürfte. Andererseits ist es ein wahres Gedicht, diese wundervoll arrangierten Bildtableaus zu betrachten und Ozons Gespür für Farben, Räume und Arrangements auf sich wirken zu lassen. Chloé arbeitet in einem Museum, dessen Exponate Ozon ebenfalls immer wieder auf beeindruckende Weise in seine Bildsprache einbezieht. Einer dieser Ausstellungen mit dem Titel „Fleisch und Blut“ kommt dabei durchaus auch eine nicht unwesentliche symbolische Bedeutung zu. Denn um fleischliche Genüsse und deren blutige Konsequenzen geht es in diesem Film auch immer wieder. Das geht sogar so weit, dass der Film gegen Ende auf einer Ebene rangiert mit dem fleischlichen Horror eines David Cronenberg. Auch das Doppelgänger-Motiv weiß der Filmemacher immer wieder effektvoll einzusetzen, sei es gleich zu Beginn durch beeindruckende Doppelbelichtungen und Überblendungen, sei es im weiteren Verlauf durch die Verwendung von Spiegeln und Spiegelungen. Ein ästhetischer Genuss, nicht nur für Fans des Regisseurs.
(Frank Brenner)
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