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Ghost Dog
USA, Frankreich 1999, Laufzeit: 116 Min., FSK 16
Regie: Jim Jarmusch
Darsteller: Forest Whitaker, Camille Winbush, John Tormey, Cliff Gorman, Henry Silva, Isaach de Bankolé, Tricia Vessey, Victor Argo, Gene Ruffini, Richard Portnow

Die Orte oder genauen Schauplätze sind in Jim Jarmuschs Filmen kaum auszumachen oder fast ohne Belang. Seine Figuren bewegen sich stets in einem fremden Land. Fremdheit ist geradezu ihr hervorstechendes Merkmal. So erfährt man in Jarmuschs neuem Film über den Auftragskiller "Ghost Dog" nicht einmal, ob es New York ist, wo er seinem Handwerk nachgeht. Zwar hat er mit einer Gruppe Mafiosi zu tun, aber er lebt in einem Niemandsland, in einer Hütte auf dem Dach eines verlassenen Hauses, in einem identitätslosen Außenbezirk. In "Der eiskalte Engel" ("Le samurai") von Jean-Pierre Melville ist immerhin klar, dass es sich um Paris handelt. Alain Delon hält sich in seinem einsamen Zimmer einen Vogel im Käfig, "Ghost Dog" (Forest Whitaker) lebt neben einem Taubenschlag. Seine Abgeschiedenheit zeigt sich überdeutlich daran, dass er nur über Botschaften mit seinen Auftraggebern kommuniziert, die von einer Brieftaube überbracht werden. Seine Lektüre ist ein altes japanisches Buch über den "Weg des Samurai". Ab und zu übt er sich bei untergehender Sonne auf dem Dach des Hauses im Schattenkampf mit einem Schwert. Er spricht nicht viel, doch an seinem unbeirrbaren Willen, die beabsichtigte Tat auszuführen, besteht niemals Zweifel. "Ein Samurai schuldet seinem Herrn unverbrüchliche Treue, gleich was passiert", steht in seinem Brevier. Wie Melvilles Filmheld ist auch "Ghost Dog" bereit, mit der gleichen Konsequenz, wie er andere tötet, selber in den Tod zu gehen. Einer der Mafia-Männer hat ihm als Jugendlicher das Leben gerettet, ihm schuldet er Gefolgschaft bis zum Ende. Einmal überlässt ihm eine geheimnisvolle junge Frau, die Zeugin eines seiner Morde wird, das Buch "Rashomon". Dass es eine Zeugin gibt, macht ihn zum Gejagten. Der Film beschreibt den Kampf "Ghost Dogs" mit den Mafia-Killern und den Konflikt gegenüber seinem "Herrn", dem allein es zukommt, über sein Leben zu verfügen. Jarmusch und sein Kameramann Robby Müller bannen die beklemmende Ruhe und Entschlossenheit "Ghost Dogs" bei seinem Feldzug in einen fast meditativ zu nennenden, getragenen Bilder-Rhythmus, dessen suggestive Wirkung durch den bezwingenden Soundtrack von "RZA" noch verstärkt wird. Ein faszinierendes, ja verstörendes Außenseiter-Porträt ist entstanden, eine Studie über Fremdheit im eigenen Land, eine geheimnisvolle Parabel über Gewalt, Moral, Würde und Einsamkeit. Der "normale" weiße Mittelstands-Amerikaner, also die Schicht, der Jarmusch selbst angehört, kommt in diesem Film praktisch nicht vor. "Ghost Dog", so unauffindbar er für Fremde bleibt, geht durch sein Viertel, das von Schwarzen bewohnt wird, und jedermann kennt und grüßt ihn. Ein schwarzer Eisverkäufer, der sich als sein Freund bezeichnet, spricht nur französisch, zwischen ihnen herrscht eine seltsame Verständigung, obwohl sie sich gegenseitig gar nicht verstehen. Die weißen Mafiosi sind nur noch ein Schatten vergangener Größe, kleinbürgerliche, einsame Gestalten, deren Ehrenkodex neben dem mehrfach eingeblendeten Weisheiten des Samurai-Textes nachgerade lächerlich wirkt. Die Geschichte gewinnt hier manchmal einen Witz, der in seltsamem Kontrast zu den Szenen der Gewalttätigkeit steht, die den Film beherrschen. "Es ist ein vernünftiger Standpunkt, die Welt als Traum zu betrachten", heißt es in einem Zwischentitel. Oder: "Wenn man den gegenwärtigen Augenblick vollkommen begreift, bleibt nichts weiter zu tun und nichts weiter zu erstreben". Sentenzen, die dem amerikanischen "Credo" extrovertierten Glücks- und Erfolgsstrebens diametral entgegenstehen. Die Quintessenz dieses Ethos liegt auf der Hand: "Der Weg des Samurai erfüllt sich im Tode". Der Einsame, der sich vom Vertrauten abwendet und auf den Einklang mit sich selbst besinnt, ist, wie schon Johnny Depp in "Dead Man", mit dem Gedanken des Endes, des Nichts vertraut und zum Sterben bereit. Eine beeindruckende Hommage an den "Existentialismus" Jean-Pierre Melvilles, ein abgründiger, von kühl-melancholischer Gelassenheit geprägter Film, ein Meisterwerk. Zitat: "Tag für Tag sollte über den unausweichlichen Tod meditiert werden. Man sollte sich bereits als tot betrachten. Diese Einstellung macht den Weg des Samurai aus." (Das Hagakure: Der Weg des Samurai)

(Heinz Holzapfel)

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