Schmetterling und Taucherglocke
Frankreich, USA 2007, Laufzeit: 114 Min., FSK 12
Regie: Julian Schnabel
Darsteller: Mathieu Amalric, Emmanuelle Seigner, Max von Sydow, Marina Hands, Marie-Josée Croze, Anne Consigny, Patrick Chesnais, Niels Arestrup, Olatz Lopez Garmendia, Jean-Pierre Cassel, Isaach De Bankolé, Emma de Caunes
Mit 43 Jahren hat Jean-Dominique Bauby, der Chefredakteur der französischen „Elle“, einen Schlaganfall. Als er nach einer Woche aus dem Koma erwacht, ist er komplett gelähmt. Nur ein Augenlid kann er noch bewegen
Der Film beginnt mit einer subjektiven Kamera: Man sieht schemenhaft Wände und Decken eines Zimmers. Das Licht ist grell, die Einstellungen von schwarz unterbrochen, gleich beim verlangsamten Blinzeln eines Auges, dessen Lid wie der Flügel eines Schmetterlings schlägt. Der Zuschauer sieht durch das Auge des im Krankenhaus liegenden Jean-Dominique Bauby. Die subjektive Kamera ist die adäquate ästhetische Umsetzung des so genannten Locked-In-Syndroms, unter dem Bauby leidet. Gus van Sant hätte die Perspektive vielleicht bis zum Schluss durchgezogen und damit ein Meisterwerk der Beklemmung geschaffen. So einer ist Schnabel nicht. Dafür liebt er zu sehr die Opulenz. Das zeigten schon seine großformatigen Gemälde der 70er und 80er Jahre. Das zeigten auch seine ersten beiden Filme „Basquiat“ und „Bevor es Nacht wird“. Künstlerportraits, die immer interessant waren, durch ihren überbordenden Symbolismus aber auch ein zwiespältiges Gefühl von dezentem Kitsch hinterließen. Und auch in seinem neuen Film kann er sein Verlangen nach symbolischer Bildsprache stillen – die Buchvorlage gibt ihm dazu Gelegenheit.
Jean-Dominique Bauby ist erfolgreicher Medienmacher, bevor er auf einer Landpartie mit seinem Sohn einen Schlaganfall erleidet. Der anfängliche Schock wird erst zu Zynismus und mündet schließlich in Hoffnung. Dank seiner Sprachtherapeutin und mit Hilfe seiner Lektorin gelingt es ihm tatsächlich, ein Buch über sein Schicksal zu schreiben. Die Buchstaben des Alphabets werden in der Reihenfolge ihres Vorkommens aufgesagt, die Wahl trifft Bauby per Augenschlag. So kommuniziert er, so diktiert er das Buch – Buchstabe für Buchstabe.
Schnabel ist ein eindrucksvolles Bild dieses vor allem inneren Monologs gelungen. Die bildreiche Sprache der Buchvorlage, die sich schnell – wenige Tage vor Baubys Tod durch Herzversagen erschienen – zum Bestseller entwickelte, nutzt Schnabel zu gerne für seine Bildgestaltung. Den Mann im Rollstuhl auf einem einsamen Steg mitten im Meer hätte es allerdings nicht gebraucht, um Baubys Situation anschaulich zu machen. Viel gelungener sind die direkten Momente, wenn Bauby verzweifelt versucht, Kontakt mit seiner Umwelt aufzunehmen. Diese Direktheit lässt einen die Verzweiflung des Eingeschlossen mehr spüren als jeder Symbolismus und macht Schnabels Film insgesamt zu einem beeindruckenden Monument über das Leben, den Tod und das Miteinander der Menschen.
(Christian Meyer)
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