Zum Programm des Lasker-Schüler-Jahres zählen Einzelveranstaltungen und neue Formate, doch daneben auch schon einmal eine Reihe, die unabhängig davon seit Jahren läuft und nun der Jubilarin gilt. „Kunsthochdrei“ ist ein Erfolgskonzept, das stets an einem Abend drei Kunstgenres zusammen bringt. Im Foyer des Von-der-Heydt-Museums bot „Elses“ 200. Geburtstag jetzt Literatur der Dichterin, Musik durch gesungene Vertonung und bildende Kunst über die aktuelle Ausstellung des Hauses, die sich ihrem Bildwerk und dem ihrer Zeit widmet.
Dass es da zu Überschneidungen kommt, liegt in der Natur der Sache. Dr. Antje Birthälmer, kommissarische Leiterin des Museums, gab per Beamer einen Querschnitt durch die Schau und verknüpfte das mit einem biografischen Abriss. Wer das Jubiläumsjahr schon verfolgt hatte, mochte zwar viel davon schon kennen. Doch die Bilder, hier derzeit auch im Original zu sehen, gaben schon auf der Leinwand weit mehr als Illustration der Vita. Darunter waren unter anderem ihre Selbstporträts als „Prinz Jussuf“ wie auch etwa ihre halbabstrakte Darstellung als „Lesende“ durch Karl Schmidt-Rottluff. Die Kombination war für alle neu.
Literarisch geprägt war in dieser „Kunsthochdrei“-Ausgabe naturgemäß schon der Bildteil. Wie stets kam die Gattung Wort aber gesondert zu ihrem Recht, und auch die Akteurin ist bewährter Teil der Reihe: Die Schauspielerin Barbara Nüsse gestaltet diese von Anfang an mit, und heute las sie eine Auswahl aus Lasker-Schülers „Briefen nach Norwegen“ – an Walden, an Karl Kraus und andere. Voll und sonor in der Stimme, fein im Duktus auch dort, wo die selbstbewusste Dichterin manche Boshaftigkeit zu Papier gebracht hatte. Als ein Zeitgenosse namentliche Erwähnung und Bloßstellung durch ihr Schreiben fürchtete, drohte er mit Selbstmord. Lasker-Schüler reagierte mit Spott. Munter bis schalkhaft auch in Briefen an den Ehemann etwa über eine Affäre: „Da haben wir uns geküsst, Herwarth. Findest du das schlimm?“ Und weiter: „Und wenn? Diese abkühlende Antwort habe ich von dir.“
Vielleicht am meisten zu entdecken aber gab es heute in der Sparte Musik. Lasker-Schülers Lyrik gilt als musikalisch und wurde viel vertont. Heute zum Vortrag kamen nun Werke von Wilhelm Rettich (1892-1988) aus seinem Zyklus op. 26A: „Lieder und Gesänge“. Es sang Annika Boos, Tanja Tismar begleitete am Klavier. Lutz-Werner Hesse, Professor an der Musikhochschule, stellte Rettich vorab kurz vor und wies darauf hin, dass sein Vater ein wichtiger Erforscher der hebräischen Musik gewesen war. Ausdrucksstark intonierte dann die junge Sopranistin, schon bekannt aus Wuppertals Opernensemble, Rettichs schöne Bearbeitungen von Poemen wie „In deine Augen“ oder „Siehst du mich“. Und stehend am Piano so klassisch, wie es dem Gesamteindruck des Abends entsprach, der bei „Else“ sonst nicht selbstverständlich ist.
Denn sonst mochten heute eher Attribute ihrer Persönlichkeit im Kopf sein: Sie sei exzentrisch und charakterlich nicht einfach. Diese Facette hatte etwa im August das spannende Programm „Spielen ist alles“ im Skulpturenpark betont, wo drei LyrikerInnen sich vom Schrägen und Widerständigen an „Else“ inspirieren ließen. Ganz anders heute: Das mäßig geschulte Ohr mochte sich in Melodik wie Haltung fast an Kunstlieder à la Robert Schumann erinnert fühlen. Und Hesse hatte bestätigt: Für die Avantgarde nach dem Zweiten Weltkrieg war Rettich ein Vertreter der abgelebten Tradition. Fürs Bild von „Else“ verhalf das heute zu einer wichtigen Einsicht: Der Sturkopf, die berühmte Antikonventionelle aus dem Wuppertal lässt sich nicht zuletzt auch sehr gut hören.
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