Viele klagen über die brutalen Kürzungen der Landesregierung im Bereich der freien Kulturszene, Tim Behren nicht. Der ausgebildete Akrobat weiß offenbar auch als Kulturmanager, wie man heikle Situationen mit dem richtigen Fingerspitzengefühl angeht. Das Circus Dance Festival umfasste in Köln einmal zehn Tage, zuletzt waren es fünf, in diesem Jahr werden es die drei Pfingsttage 6. bis 8. Juni sein. „Das Schöne darin ist“, sagt er, „dass wir nun in der Stadt keine Satellitenorte mehr brauchen. Die Intensität des Festivals wird sich ganz auf unser eigenes Gelände An der Schanz konzentrieren. Dort haben wir Festival-Flair, das ist unser Schatz.“ So macht man aus einem Problem einen Trumpf. Wobei das Festival natürlich trotzdem um Unterstützung bittet. Dazu spricht man auch das Publikum direkt an. Es kann gespendet werden, aber auch eine Unterkunft für die internationalen Künstler würde dem Festival helfen, denn 70 Prozent des Programms können umsonst betrachtet werden.
Familien pilgerten schon in der Vergangenheit in großer Zahl zum Zeltdorf am Rhein, wo in diesem Jahr ein eigenes Filmzelt vorhanden sein wird. Keiner der Beiträge ist länger als 60 Sekunden. Wenn man sieht, wie hier mit schwindelerregenden Kamerafahrten und kühnem Filmschnitt erzählt wird, kann man süchtig nach diesen „Shorts“ werden. Die eigentliche Attraktion wird jedoch eine 360 Grad-Bühne sein. Auf ihr zeigt die Finnin Sirje Tolonen ein Hula-Hoop-Solo. Mit Schlagzeug und Rollerblades befasst sich ein Künstlerpaar aus Frankreich damit, wie sich musikalische Energie in körperliche Aktion übersetzt. Clowns dürfen im Zirkus nicht fehlen. Ihren Part übernimmt das italienische Duo Bau in einem Spiel um die Bedeutung der Haare. Für die Schweizerin Melissa Guex sind die Haare hingegen ein Merkmal der Weiblichkeit, das sie mit kahlem Kopf als „Rapunzel“ in Frage stellt. Dekonstruktion ist immer wieder ein zentrales Thema der jungen Genration von Zirkus-Künstlern, die ihr Metier ebenso kritisch wie lustvoll reflektieren. Julian Vogel aus der Schweiz spielt auf dem Fahrrad mit der Zerbrechlichkeit des Porzellans. So wie Vogel den Dialog zwischen Zirkus und bildender Kunst herstellt, ist es bei anderen die Nachbarschaft zum Tanz, zum Theater oder zur Musik, die den Zirkus in eine hybride Inspirationsquelle verwandeln.
Circus Dance Festival 2025 | 6.6 - 8.6. | An der Schanz 6, 50735 Köln | www.circus-dance-festival.de
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