Warum sind die Enttäuschungen immer dann so groß, wenn es in Köln um den Tanz geht? Die Antwort liefert jetzt eine Ausstellung des Museums des Deutschen Tanzarchivs Köln fast schon im Titel. „Goldene Jahre. Kölner Tanzträume. Aufbruch in den 1960er Jahren“, heißt es da. Man schaut mit der Jahresausstellung zurück, und das möglicherweise genau zum richtigen Zeitpunkt. Denn die Kölner Kulturpolitik will dem Tanz in Zukunft einen ganz neuen Stellenwert verleihen. Wenn mit dem Umzug des Schauspiels zum Offenbachplatz die Hallen im Carlswerk frei werden, könnte der große Aufschlag für eine eigene Kompanie und internationale Gastspiele ins Haus stehen.
Enttäuschungen sind immer dann besonders groß, wenn zuvor die Ambitionen hoch angesetzt waren. Das waren sie, als 1957 die Oper an der Stelle eröffnet wurde, an der zuvor die von den Nazis niedergebrannte Synagoge gestanden hatte. Gleich am Eingang der Ausstellung wird die Oper als goldglänzendes Modell präsentiert. Man begann damals mit einem Dreispartenhaus und holte sich als leitenden Choreographen Aurel von Milloss, der viele Jahre an der Mailänder Skala gearbeitet hatte. Von ihm ging die bis heute vielleicht wichtigste Innovation aus, als er die Internationale Sommerakademie des Tanzes auf dem Gelände der Deutschen Sporthochschule gründete. Sogar in den USA richteten sich nun die Augen der Tanzwelt auf die Domstadt. Etwas Ruhmreicheres als diese Ausbildungsmöglichkeit hat es im Tanz nie wieder in Köln gegeben.
Aber bald setzt das Kleinklein ästhetischer Diskussionen ein und die Choreographen, darunter mit Gise Furtwängler auch eine Frau, gaben sich hastig die Klinke in die Hand. Dann musste gespart werden – und plötzlich war der Tanz auch dem sonst so weitsichtigen Kulturdezernenten Kurt Hackenberg nicht mehr wichtig. Ab 1970 begann die Verzwergung des Tanzes in Köln.
Die von Thomas Thorausch kuratierte Ausstellung lässt die Entwicklungslinien wunderbar übersichtlich nachvollziehen. Wie ein Essay ist sie aufgebaut, bietet Informationen und hält ein schönes Gleichgewicht zwischen Text und Bild. Dazu gehören als poetisches Geleit Texte von Heinrich Böll und Hilde Domin, die vom Lebensgefühl der Epoche erzählen. Einen eleganten Rahmen erhält die Ausstellung mit den großartigen Fotografien von Annelise Löffler, auf denen die Stadt alles andere als bedürftig wirkt.
Goldene Jahre. Kölner Tanzträume. Aufbruch in den 1960er Jahren | bis 23.2.25 | Tanzmuseum des Deutschen Tanzarchivs Köln | 0221 88 89 54 44
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Supergau?
Die TanzFaktur steht wieder einmal vor dem Aus – Tanz in NRW 09/24
Kaffee, Kuchen, Stacheldraht
12. Tanz.Tausch Festival in der Kölner TanzFaktur – Tanz in NRW 08/24
Wunderbar: alles ohne Plan
„Leise schäumt das Jetzt“ in der Alten Feuerwache – Tanz in NRW 07/24
Philosophie statt Nostalgie
Das Circus Dance Festival in Köln – Tanz in NRW 05/24
Tennismatch der Kühe
„Mata Dora“ in Köln und Bonn – Tanz in NRW 03/24
Kommt die Zeit der Uniformen?
Reut Shemesh zeigt politisch relevante Choreographien – Tanz in NRW 02/24
Am Ende ist es Kunst
Mijin Kim bereichert Kölns Tanzszene – Tanz in NRW 01/24
Tanz auf Augenhöhe
„Chora“ in der Tanzfaktur – Tanz in NRW 12/23
Eine Sprache für Objekte
Bundesweites Festival Zeit für Zirkus 2023 – Tanz in NRW 11/23
Die Sprache der Bewegung
Die Comedia lockt das junge Publikum zum Tanz – Tanz in NRW 10/23
Kinshasa und Köln
„absence#4“ im Barnes Crossing – Tanz in NRW 09/23
Den Nerv der Zeit erkannt
Screen Dance Academy #3 in Wuppertal – Festival 08/23
Das Unsichtbare sichtbar machen
Choreographin Yoshie Shibahara ahnt das Ende nahen – Tanz in NRW 04/24
Tänzerinnen als „bad feminist“
tanz.tausch in Köln – Tanz in NRW 08/23