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Foto: Constantin Film

Der Profi

01. Februar 2011

Gedanken zum Tod von Bernd Eichinger - Portrait 02/11

Viel wurde nach dem frühen Tod Bernd Eichingers über seine Bestsellerverfilmungen geschrieben, die riesige Lücke, die er hinterlässt, seinen Sinn für deutsche Themen, seine testosterongesteuerte Suche nach erfolgsversprechenden Stoffen. Tatsächlich begann Eichingers Karriere mit dem deutschen Autorenfilm, zu einer Zeit, als das neue deutsche Kino Experimente wagte und Verleiher wie Sam Waynberg mit seiner Scotia neben dem Kommerz immer auch nach neuen Talenten und unverwechselbaren Kinoinhalten suchten. Eichinger war ein Retter, als er Ende der siebziger Jahre die alte Constantin übernahm - mitsamt dem riesigen Stock an alten "Schulmädchen"-Reports, Romanverfilmungen der Marke "Wer stirbt schon gerne unter Palmen" und Repertoirehits wie "Bilitis".Das Miller'sche Motto "Lachen, Liebe, Nächte" steuerte Eichingers Weg als Filmeinkäufer, Geschäftsführer, Produzent und, vor allem, Mensch. Nach der Herausbringung kleiner Independentperlen wie "Don's Party" und dem ersten großen Hit "Christiane F. - Wir Kinder vom Bahnhof Zoo" gab er, erstmals seit Jahren, dem Kabarett-Film eine neue Heimat in den Kinos. Gerhard Polts deftige Karnevalssatire "Kehraus" erreichte 1983 zwar nur knapp 700 000 Besucher, blieb allerdings ein Meilenstein des satirischen Kinos, der ob seiner Schärfe nie im Fernsehen gezeigt wird. Bis sich das amerikanische Blockbusterkino hierzulande durchsetzte, wagte Eichinger viel. Er kaufte mit "Der Profi" einen der besten späten Belmondo-Filme ein, verfilmte die Neue Deutsche Welle, erkannte die Kinoqualitäten Schimanskis, die Stuntshowreize Willy Bogners und die Lust der Deutschen auf Prolokomödien à la Tom Gerhardt und "Manta, Manta". Einer seiner größten Coups war der Einkauf von Kevin Costners "Der mit dem Wolf tanzt" für den deutschen Markt. Eichinger war hart, wenn es um das Endprodukt ging. Er funkte nicht nur seinen Regisseuren dazwischen, auch den eingekauften Werken. Aus Belmondos "Die Glorreichen" ließ er fast 15 Minuten entfernen, weil ihm das Kriegsabenteuer zu zäh vorkam. Und Eichinger konnte grandios irren. Doris Dörries "Männer" war ihm zu albern, Donnersmarcks "Das Leben der Anderen" zu theatral.

Mit "Die unendliche Geschichte" und "Der Name der Rose" gelangen Eichinger als Produzent aber Millionenerfolge, auch wenn sich Michael Ende die Haare sträubten und das Feuilleton eine schleichende Amerikanisierung beklagte. Auch kreierte Eichinger mit seinem Kompagnon Edwin Leicht und Verleihchef Michael Marbach in den achtziger Jahren ein paar wunderschöne, höchst effektive Werbekampagnen. Nach den herausragenden, aber nur mittelmäßig erfolgreichen Romanverfilmungen "Letzte Ausfahrt Brooklyn", vielleicht sein bester Film als Produzent, "Salz auf unserer Haut" und "Das Geisterhaus" ging Eichinger ab Anfang der neunziger Jahre zunehmend in Richtung Kommerz. Er kupferte unverblümt bei sich selber ab, wusste von den Wellenbewegungen der Branche ("Screwballs" und "American Pie", "Zombie" und "Resident Evil"), konterte freche Teeniekomödien mit der Verfilmung verklemmter Zeitgeistromane wie "Das Superweib" oder "Der Campus", investierte in absoluten Murks wie "Leslie Nielsen ist sehr verdächtig" und die internationalen Franchises "Fantastic Four" und "Resident Evil". Nach dem Verkauf der Constantin an die Schweizer Highlight Communications lagen ihm nur noch wenige Stoffe am Herzen, darunter "Der Untergang", "Das Parfum - Die Geschichte eines Mörders" und die Verfilmung der RAF-Story "Der Baader Meinhof Komplex". An allen dreien arbeitete er Tag und Nacht. In den letzten Jahren war Eichinger durchaus nicht unumstritten. Sein Bushido-Film floppte, Volker Schlöndorff warf ihm die Einführung des "Amphibienfilms" vor, die das Kino nachhaltig beschädige, "Pornorama" und "Die Superbullen" verwiesen auf ein Unterhaltungskinoverständnis von vor dreißig Jahren, die Lust auf neue Entdeckungen aus dem Kabarett- oder Fernsehbereich tendierte nach den Bully-Filmen schnell wieder gegen Null.

Doch das sind die Unwägbarkeiten des Filmgeschäfts. Umso wichtiger ist es, Eichinger als "Total Film Buyer" zu begreifen, der der deutschen Industrie bitte auch als grandioser und unabhängiger Filmverleiher im Gedächtnis bleiben sollte. Dass sogenannte Franchises im besten Fall für volle Kinos sorgen, ist heutzutage, eben nicht zuletzt dank Eichingers Wagemut, eine Binsenweisheit. Dass das Kino aber auch weiterhin auf kluge und gute Einkäufer setzen muss, die internationale Ware beurteilen und für den deutschen Markt mit aller Energie einkaufen - vielleicht gehört das zu den Dingen, die uns "der Bernd" auch ins Hausaufgabenheft geschrieben hat und an denen sich die deutsche Kinobranche abarbeiten sollte.

JL

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