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Benicio del Toro in „A Perfect Day“
Foto: X Verleih

„Du hast keine Kontrolle über deine Karriere“

24. September 2015

Interview mit Oscar-Preisträger Benicio del Toro zu „A Perfect Day“ – Roter Teppich 10/15

Er war der sadistische Handlanger des Gegenspielers von James Bond in „Lizenz zum Töten“. Der Durchbruch für Benicio del Toro folgte 1995 mit „Die üblichen Verdächtigen“ von Bryan Singer. Danach spielte er mit Johnny Depp in „Fear and Loathing in Las Vegas“ oder in „Snatch“ von Guy Ritchie. Für das Drogendrama „Traffic“ von Steven Soderbergh bekam er 2000 den Oscar. Der engagierte ihn anschließend für die Titelrolle in „Che“, wofür del Toro in Cannes den Darstellerpreis bekam. Nach seinem Auftritt als Drogenbaron „Escobar“ kommt der 48-Jährige nun gemeinsam mit Tim Robbins in der Kriegs-Satire „A Perfect Day“ in die Kinos.

engels: Mister del Toro, der Humor spielt eine entscheidende Rolle in dieser Kriegs-Satire. Welche Rolle spielt Humor für Sie im privaten Leben?
Benicio del Toro:
Humor ist sehr wichtig für mich. Ich versuche möglichst jeden Tag, einen Grund zum Lachen zu finden.

Sie treten oft in politischen Filmen auf, welche Rolle spielt Politik für Sie?
Ich bin kein Politiker, aber ich habe meine Meinung. Privat spende ich gern für wohltätige Zwecke. Und beruflich spiele ich gerne Rollen in Geschichten, die ich erzählenswert und wichtig finde. „Traffic“ ist zum Beispiel so eine Story, wobei ich ja nur der Darsteller bin und nicht der Autor oder Regisseur. Ich mache mich lediglich nützlich für das Drehbuch. Weshalb sollte ich mich politisch äußern? Das überlasse ich lieber den Filmen, in denen ich spiele.

Wie sehen Sie diese Figur Mambrú, die Sie spielen?
Mambrú hat ein bisschen etwas von Che Guevara, nur ohne Revolver. Er ist ein Anführer-Typ, der sich an den Realitäten orientiert. Wenn etwa eine Straße nicht passierbar ist, dann wartet er eben lieber, statt Dinge zu erzwingen. Gleichzeitig ist er jemand, der mehr tut als ich oder Sie. Er hat seinen Idealismus nicht verloren, er muss bisweilen nur geweckt werden, was jedoch gar nicht so schwierig ist. Insofern würde ich ihn schon als einen Helden bezeichnen. 

Kannten Sie die Hintergründe des Bosnien-Konfliktes?
Ich kannte den Balkan-Krieg aus dem Fernsehen und wusste ein wenig über Jugoslawien und Tito. Allerdings waren mir diese ganzen Hintergründe dieses Konfliktes vorher nicht bekannt. Das erfuhr ich alles erst während meiner Vorbereitung auf diesen Film und war ziemlich beeindruckt davon. Mir gefällt es ausgesprochen gut, wenn meine Arbeit solche Lerneffekte mit sich bringt.

Wenn es nach Ihrem Vater gegangen wäre, sollten Sie kein Schauspieler sondern Anwalt werden wie er. Wie haben Sie es dennoch geschafft?
Ich habe das meinem Vater gar nicht erst gesagt. Ich habe ein bisschen geschwindelt und ihm erzählt, dass mir die Schauspiel-Schule ein Stipendium für ein späteres Studium geben würde. Aber die Schauspielerei war einfach mein großer Traum.  

Sie kamen mit 13 Jahren nach Amerika auf ein Internat. Wie war der Wechsel von Ihrer Heimat Puerto Rico?
Der Wechsel wurde gemildert, denn ich liebte die Rolling Stones und ich spielte Basketball. Damit fand ich schnell Freunde in der neuen Umgebung. Gleichzeitig fühlte ich mich allein. Ich dachte sehr viel nach, was im Rückblick ziemlich gut für mich gewesen ist.

Würden Sie diesen Beruf Ihren Kindern empfehlen?
Die Schauspielerei ist ein sehr harter Beruf. Du hast keine Kontrolle über deine Karriere, sondern alles liegt in den Händen anderer Leute oder an Zufällen. Es reicht ja längst nicht aus, gut auszusehen oder Talent zu haben, es spielen sehr viele Elemente mit. Wenn du dann schließlich deine erste Rolle in einem Film bekommst, genügt das nicht. Ich habe fünf Filme gebraucht, um auf mich aufmerksam zu machen. Und schließlich hatte ich das große Glück, von Leuten wie Robert Rodriguez, Steven Soderbergh oder Oliver Stone engagiert zu werden. 

Wie groß ist die Gefahr, dass man für die Karriere schlechte Kompromisse macht?
Bisweilen fühle ich mich wie der Mambrú in „A Perfect Day“: Nicht jeder Film ist eine Falle, aber er könnte es sein! (lacht) Nicht jeder Regisseur ist ein Oliver Stone, aber das weiß man vorher nicht. Ich habe in meinen 26 Jahren in diesem Beruf etliche Filme gemacht und der Ablauf dabei ist eigentlich immer derselbe. Du denkst, du weißt wie der Hase läuft – und doch ist es jedes Mal dann ganz anders als zuvor.

Sind Sie vom Resultat auf der Leinwand anschließend bisweilen überrascht?
Absolut. Ich habe Filme gedreht, von denen ich dachte, die wären fantastisch. Als ich sie dann gesehen habe, habe ich meine Meinung schnell geändert. Umgekehrt ärgerte ich mich nach Dreharbeiten auch schon, dass ich in diesem Projekt mitgemacht hatte – und dann wurde das zum besten Film, den ich je gemacht habe. Man darf sich nicht darauf verlassen, dass ein gutes Skript automatisch zum guten Film wird und man sich da einfach gemütlich zurücklehnen kann. Man muss wirklich ständig am Ball bleiben und hart an seiner Rolle arbeiten – solange, bis es hoffentlich „klick“ macht. 

Wie sehr ärgern Sie sich, wenn ein Film dann schlechter wird als gedacht?
Manchmal sage ich dann: „Ich hab’ es ja gewusst. Ich hab’ es euch immer gesagt!“ – aber das ändert ja auch nichts mehr. Mein Bruder meinte darauf einmal, wenn ich so viel Ahnung hätte, soll ich doch gefälligst selbst einmal Regie führen. Und das möchte ich tatsächlich nun auch tun. Wenn man so lange vor einer Kamera steht, hat man irgendwann das Gefühl, man könnte es auch einmal hinter der Kamera versuchen. Nicht umsonst schlagen viele Schauspieler ja diesen Weg ein.

Wie war es damals beim Dreh mit Madonna, in deren Musikvideo Sie als Komparse auftraten?
Wie es war? Ich bekam 120 Dollar und saß in einem Auto. Von Madonna habe ich da nicht sehr viel mitbekommen. Ein bisschen konnte ich sie immerhin beim Tanzen beobachten.

Mit welchen Gefühlen sehen Sie sich auf der Leinwand?
Für jemand, der nicht häufig in den Spiegel schaut, ist das ein seltsames Gefühl. Ich schaue mir meine Filme deswegen auch nur einmal an. Ich besitze keine DVDs, mit denen ich im Wohnzimmer ein del-Toro-Festival machen könnte. Nur wenn ich zufällig im Fernsehen einen Film von mir entdecke, dann bleibe ich ein bisschen hängen und checke ihn aus.

Sie haben eine dreijährige Tochter, wie hat das Ihre Arbeit verändert?
Meine Tochter hat die Arbeit insofern verändert, dass ich nun vor allem nach Filmen Ausschau halte, von denen ich glaube, dass sie ihr eines Tages gefallen könnten und ich sie gemeinsam mit ihr anschauen kann. Aus diesem Grund habe ich vor kurzem eine Synchron-Rolle in „The Little Prince“ übernommen.

Würden Sie aus diesem Grund auf bestimmte Rollen verzichten?
Nein, auf Rollen verzichten würde ich deswegen nicht. Woher soll ich heute wissen, wie sie als 21-Jährige einmal über Dinge denken wird.

Welche Auswirkungen hat ein Oscar? Haben Sie keine Angst, dass es nach solch einem Höhepunkt nur noch bergab gehen kann?
Der Oscar ist ein Höhepunkt, aber ich hoffe nicht, dass es danach bergab ging! Es gibt schließlich ganz verschiedene Höhepunkte in einer Karriere.

Interview: Dieter Oßwald

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