Als Drehbuchautor machte er sich vor allem durch die britischen Serien „Cold Feet“ und „I saw you“ auf der Insel einen Namen. 2003 veröffentlichte David Nicholls seinen ersten Roman „Starter for Ten“ („Keine weitere Frage“, in Deutschland 2005), der 2006 verfilmt wurde. Nach „The Understudy („Ewig Zweiter“, 2006) feierte er vor zwei Jahren mit „One Day“ („Zwei an einem Tag“, 2010) einen internationalen Erfolg, dessen Verfilmung von Lone Scherfig seit dem 3.11. in den deutschen Kinos zu sehen ist.
engels: Herr Nicholls, als Roman- und Drehbuchautor, wie gefällt Ihnen die Film-Version zu ihrem Buch „Zwei an einem Tag“? 
David Nicholls: Sie   gefällt mir sehr. Als ich das Buch beendet habe und die Möglichkeit  für  den Film aufkam, überlegte ich, ob ich mitmachen sollte oder nicht.  Man  muss immer akzeptieren, dass man viele Dinge verliert, die man  wirklich  mag, aber es war eine persönliche Geschichte für mich, nicht  in einem  autobiografischen Sinne, aber eben sehr persönlich, daher  wollte ich mit  dabei bleiben und ich mochte es sehr, das Drehbuch zu  schreiben. Ich denke, man ist sich immer bewusst, dass es Sachen gibt,  die man nicht ins Drehbuch kriegt und dass es ebenso Sachen gibt, die im  Drehbuch und im ungeschnittenen Film verbleiben – also gibt es immer  etwas, dass man vermisst, aber es ist immer eine andere Erfahrung. Ein  Film kann nie dasselbe sein wie ein laut gelesenes Buch. Aber es hat  Spaß gemacht. Ich wünschte nur, der Film wäre zehn Minuten länger.
Aus der Sicht des Romanautors: Wie wichtig ist es für Sie, am Set des Films zu sein?
Gerade  bei diesem Film war ich häufig am Set und dann begreift man, dass es  tatsächlich eine unter Hochdruck stehende Umgebung ist. Ein Filmset ist  beides. Es ist unglaublich stressig und unglaublich langweilig. Es ist  spannend zu sehen, wie Dinge zum Leben gebracht werden, aber zur  gleichen Zeit ist man die einzige Person, die nichts zu tun hat. Man ist  die einzige Person, die rumsitzt, im Weg ist. Es ist sehr einfach sich  von der Angst dieser Welt anstecken zu lassen: „Wird es sonnig? Beginnt  es zu regnen? Haben wir genug Zeit zum Drehen der Szenen?“, all so was.  Als der Dreh voranging wurde ich immer zuversichtlicher über den Film  und ging immer seltener zum Set. Aber im Grunde mag ich Film-Sets, ich  bin mir nur bewusst, dass man als Autor die Zeit hat, etwas  umzuschreiben. Am Set gibt es aber einfach keine Zeit kleine Sachen zu  ändern oder zu improvisieren, also blieb ich weg.
Es gibt mehr Freiheit für den Autor.
Die Sache  mit dem Autor ist, und alle Autoren beschweren sich darüber, dass es  sehr einsam ist und die große Freude beim Filme machen ist, dass man das  Haus verlässt und Leute trifft, kooperiert.
„Zwei an einem Tag“ ist auf der einen Seite eine Geschichte  über zwei Personen, die sich suchen. Ist es aber nicht genauso gut eine  Geschichte über zwei Personen, die auf der Suche nach sich selbst sind? 
Ja,  absolut. Als ich begann das Buch zu schreiben, war ich 40 und mein  erstes Buch („Keine weiteren Fragen“, die Redaktion) war über einen  Zwanzigjährigen, der über sich autobiografisch erzählt, und ich fragte  mich, welches das wahre Selbst ist, der Vierzigjährige oder der  Zwanzigjährige, wie verändern wir uns und wie bleiben wir dieselben? Das  war das Thema des Buches. Und in der Tat, die Charaktere verändern sich  langsam Jahr für Jahr. Ich wollte da durchschauen wie durch ein großes  Fotoalbum – es sind also immer die gleichen Personen, aber ihre  politischen Ansichten ändern sich, ihre Einstellungen gegenüber Familie,  Liebe, Beruf ändern sich stufenweise über die Jahre, aber sie bleiben  immer noch Dexter und Emma. Das war die wirkliche Aufgabe, wie im Film,  wo sie sehr langsam alt gemacht werden, so war es etwa auch mit dem  Buch. Und ja, sie lernen eine Menge über sich selbst im Laufe des Films  und sie werden bessere Menschen, denke ich.
Sowohl in Ihrem ersten Buch „Keine weiteren Fragen“ als auch in „Zwei an einem Tag“ spielt die Fernsehwelt eine wichtige, aber nicht gerade nette Rolle. Was war der Impuls für diese Rolle der Fernsehwelt in den Romanen? Ich arbeitete beim Fernsehen, allerdings bei Fernsehserien, Dramen, was ziemlich dasselbe ist wie an einem Film-Set zu arbeiten oder in einem Theater. Es ist harte Arbeit, größtenteils ziemlich diszipliniert und stressvoll. Ich liebte zwar meine Arbeit beim Fernsehen, aber ich wuchs auch mit zehn Stunden täglichem Fernsehen auf, also wurde ich davon seitdem ich denken kann aufgesogen. In letzter Zeit schaue ich immer weniger Fernsehen, aber es war definitiv ein Teil von Jackson im ersten Buch (Hauptcharakter in „Keine weitere Frage“, die Redaktion). Dieser zentrale Charakter erhält seine gesamte Vorstellung davon, was das Universum ist, aus dem Fernseher, aus einer Quiz-Show. Ich denke für Dexter befördert das Fernsehen eine Art Fantasie, ein Traumleben, Berühmtheit und Geld und all diese Dinge. Und dennoch ist es eine sehr konkurrenzbetonte Welt, manchmal etwas oberflächlich, eine Illusion. Aber ich bin nicht böse auf das Fernsehen, darum geht es nicht. Für mich war die Zeit beim Fernsehen toll und ich schrieb eine Menge, ich hatte eine weitaus positivere Erfahrung als Dexter. Für Dexter ist es ein Lebensstil, kein Handwerk oder Beruf, eine Pose.
Ist „Zwei an einem Tag“ eine Liebesgeschichte?
Es  ist eine Liebesgeschichte über die Freundschaft, denke ich. Es geht um  den grauen Bereich dazwischen. Und in macher Hinsicht ist es eine  klassische Liebesgeschichte, der originale Love-Story-Plot ist, dass  diese beiden Charaktere zusammen sein sollten, aber es noch nicht sind,  also warum? Es ist schwer eine Liebesgeschichte in der modernen Welt zu  schreiben, es gibt da so wenige Hindernisse. Wenn die Charaktere sich  mögen, warum kommen sie dann nicht zusammen? Ich denke, dies ist die  Herausforderung, die Charaktere über 400 Seiten interessant zu halten,  die meiste Zeit getrennt, aber dabei die Spannung zu bewahren. Ich  wollte auch eine Liebesgeschichte schreiben, die nicht zu sentimental  war, die emotional aber nicht notwendigerweise vorhersagbar ist. Es gibt  so viele Klischees, besonders in romantischen Komödien, ob die beste  Freundin des Schwulen oder das Rennen zum Bahnhof. Auch davon gibt es  Elemente in dem Buch, aber ich wollte eben auch Sympathie und Trauer,  also ist es eine melancholische Liebesgeschichte.
Beide Charaktere in „Zwei an einem Tag“ sind ziemlich desillusioniert vom Leben nach der Universität, besonders  Emma. Das spielt am Ende der 1980er Jahre. Sehen Sie Ähnlichkeiten zu  der Situation der jungen Menschen von heute? 
Vor einer  Weile, unter der letzten Regierung, gab es in Großbritannien eine  Explosion in den Studentenzahlen und als ich noch 1985 zur Universität  ging, waren jene, die dahin gingen eine elitäre Minderheit. Dies wurde  in kurzer Zeit verfügbarer, zugänglicher für Leute, die damit bisher  nicht in Verbindung kamen. Für viele Leute schien Bildung der Schlüssel  zu einem besseren Leben zu sein und nun haben wir diese Situation mit  einer schrecklichen Jugendarbeitslosigkeit, wobei Arbeitslosigkeit in  Großbritannien besonders hart für junge Menschen ist, da sie sich hier  auf streckenweise 25% beläuft. Ich denke es ist sehr schwierig und es  brachte Leute dazu, wieder zu überlegen, ob eine Bildung notwendig sei  oder nicht, was für mich eine wahre Schande ist, weil meine Zeit an der  Universität sehr wertvoll für mich war. Es war ein zentraler Abschnitt  meines Lebens und ich hasse den Gedanken, dass Leute diese Möglichkeit  aus der Angst oder dem Gefühl heraus nicht ergreifen, weil die  Universität nur für die Reichen oder Privilegierten da ist, oder einen  Luxus darstellt. Denn ich mochte diese Zeit und ich lernte eine Menge,  ich wäre kein Schriftsteller geworden. Es war damals nicht beabsichtigt,  aber es ist interessant, dass es da diese Parallelen gibt, dass  Menschen ängstlich, verständlicher Weise, gegenüber der realen Welt  geworden sind. Als ich die Universität verließ gab es eine schreckliche  Rezession in Großbritannien und eine Menge brillanter Studenten wurden  arbeitslos und gingen zurück zur Universität, um dies zu vermeiden, und  dies geschieht jetzt auch. Ich spreche nur vom britischen  Erziehungssystem, aber mit der neuen Regierung ist es sehr, sehr teuer  geworden zur Universität zu gehen. Meine akademische Ausbildung wurde  durch den Staat bezahlt. Ich zahlte zwar das Geld durch meine Steuern  zurück, aber dies war nie eine Sorge für mich als ich zu studieren  begann. Ich hatte eine volle Ausbildungsförderug. Jetzt gibt es viele  Leute aus armen Verhältnissen, die nicht hingehen können, weil die  Schulden enorm sind und es keine Arbeit gibt, um sie zu begleichen und  das ist eine schreckliche Sache. Das ist eine kurzsichtige und ignorante  Regierungspolitik. Es ist ein Desaster.
Ursprünglich haben Sie als Schauspieler gearbeitet und wurden auch als solcher ausgebildet. Was bevorzugen Sie, Schauspielen oder Schreiben? Definitiv das Schreiben. Da gab es dieses fundamentale Problem mit meiner Schauspielerkarriere. Ich war nicht wirklich talentiert, ich war schlecht darin und Freunde von mir fanden einen Weg mir zu sagen, dass ich schlecht darin war. Ich begann dann etwas zu schreiben, obwohl es sehr stressig war und ich mir eine Menge Sorgen machte. Schreiben zu können ist ein großes Privileg und ich bin damit sehr glücklich. Das Einzige, was ich am Schauspielen vermisse sind die Schauspieler, der Spaß, die Freundschaft, Kameradschaft und die Art von bösen Witzen, da werde ich immer noch etwas neidisch. Was ich aber nicht vermisse ist die Furcht und die Angst, die Unsicherheit, die Eifersucht und die ständige Sorge – also es gibt Sachen, die ich vermisse, und wenn ich gut darin wäre, wäre es der größte Job der Welt, aber ich war es nicht.
Vieleicht ist das der Weg des Schriftstellers, sowohl besorgt  zu sein über die Sachen, die man schreibt, als auch in seinem eigenen  Universum arbeiten zu können.
 Ja, aber ich denke, dass es  eine gute Sorge ist. Das Schriftsteller-Leben ohne Sorge mag reizvoll  erscheinen, aber ich denke man muss immer bange sein, dass das nächste  Ding, das man schreibt, nicht so gut ist, dass man nicht hart genug  arbeitet. Ich habe nichts dagegen in der Nacht wegen so was wach zu  liegen. Ich hatte zwei gute Jahre, weil ich hauptsächlich über das alte  Buch gesprochen habe und es ist wesentlich einfacher, über etwas zu  reden, das man bereits geschrieben hat als etwas neues zu schreiben.  Aber ich werde bald wieder versuchen, mir Sorgen zu machen, mich  hinzusetzen und täglich zu schreiben, was ich schon eine Weile lang  nicht mehr gemacht habe.
Liegt Ihr Fokus in der Zukunft mehr auf dem Schreiben von Drehbüchern oder auf einem neuen Roman?
 Belletristik. Ich versuche intensiv über noch einen Roman nachzudenken,  weil die ganze Erfahrung mit dem Buch „Zwei an einem Tag“ wirklich  wunderbar und übertrieben war und ich mochte es wirklich, dieses Buch zu  schreiben. Jetzt bin ich etwas selbstsicherer das nächste Buch zu  beginnen und ein wenig paranoid und bange, dass es nicht so populär  werden würde – dies sind Sorgen, die ich vor Jahren noch nicht hatte.  Aber ich denke das liegt daran, dass ich sehr glücklich war. Am Ende des  Jahres (2010, die Redaktion), beschloss ich, nicht mehr über Dexter und  Emma zu sprechen und ich habe alle Kopien der Bücher weggeräumt und von  Null begonnen, darauf freue ich mich jetzt. Momentan arbeite ich an dem  Film „Große Erwartungen“, der jetzt gedreht wurde und das war sehr  angenehm. Aber ich werde mit dem Schreiben von Drehbüchern für eine  Weile aufhören und etwas neues machen, weil es schon fünf Jahre her ist  seitdem ich mit „Zwei an einem Tag“ begonnen habe.
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