
Auf trockenen Gräsern
Türkei, Frankreich 2023, Laufzeit: 198 Min., FSK 12
Regie: Nuri Bilge Ceylan
Darsteller: Deniz Celiloglu, Musab Ekici, Merve Dizdar
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Intensives Drama, das nach großer Leinwand verlangt
Müde Hoffnung
„Auf trockenen Gräsern“ von Nuri Bilge Ceylan
197 Minuten – das ist für den viel gefeierten türkischen Autorenfilmer Nuri Bilge Ceylan („Winterschlaf“) keine außerordentlich lange Spielzeit. Mit seinen letzten vier Filmen hat er sich ungefähr bei gut drei Stunden eingependelt. Ceylan lässt sich Zeit mit dem Erzählen. Das merkt man auch in seinem neuen Film „Auf trockenen Gräsern“ bereits in der ersten Einstellung: Ein Mann steigt in einer verschneiten Landschaft aus dem Bus und kämpft sich durch die weiße, einsame Landschaft, bis er schließlich an einer kleinen Schule in einem Flachbau ankommt. Das Grundgefühl für den Film und sein Szenario sind gesetzt: Samet (Deniz Celiloğlu) ist seit vier Jahren in dieser einsamen Region in Ostanatolien als Lehrer tätig, wo er den in der Türkei üblichen Pflichtdienst ableistet. Die Winterferien sind gerade vorüber, das neue Halbjahr beginnt. Samet gehört zu den weniger strengen und somit auch beliebteren Lehrern an der kleinen Dorfschule. Besonders sein Verhältnis zu dem Mädchen Sevim aus der achten Klasse ist sehr freundschaftlich. Nach Schulschluss begleitet der Film Samet auf seinem Nachhauseweg durch die Anhäufung einzelner Häuser: Von einem massiv gepanzerten Fahrzeug aus begrüßt ihn die örtliche Armee per Megaphon. Bei einem älteren Mann trinkt er routinemüßig seinen Tee, mit dabei der jüngere Feyyaz mit kurdischen Wurzeln. Dann geht er zu dem kleinen, wenig luxuriösen Häuschen, in dem er mit seinem Lehrerkollegen Kenan (Musab Ekici) wohnt, der aus der Region stammt, im Gegensatz zu Samet, der hofft, bald nach Istanbul zurückkehren zu können,.
Ceylan erzählt in seinen Filmen über alltägliche, beiläufige Szenen sehr viel über die Orte und Figuren seiner Geschichten. Pointierte Dialoge führen die Protagonist:innen nur selten, es sind eher beiläufige Wortwechsel, über die man die Situationen und die Konflikte der Figuren erspüren kann. Bis dann in „Auf trockenen Gräsern“ einer dieser Konflikte sehr klar und deutlich hervorsticht, als Samet und Kenan bezichtigt werden, sich übergriffig gegenüber zwei Schülerinnen verhalten zu haben. Die beiden wissen überhaupt nicht, woher die Vorwürfe kommen, Nachforschungen führen zu nichts. Kurz darauf werden die Vorwürfe fallengelassen, ein Beigeschmack und Misstrauen bleiben. Das spüren die beiden Lehrer auch, als sie Nuray (Merve Dizdar), eine Kollegin aus einer Nachbarschule, die bei einem Sprengstoffanschlag ein Bein verloren hat, kennenlernen.
Das Drehbuch hat Ceylan wieder gemeinsam mit seiner Frau Ebru geschrieben. Und wie in den vorangegangenen Filmen treten Dialoge hinter die eindrucksvollen Bilder der weiten, aber auch abweisenden Schneelandschaft zurück, in der die kleinen, ärmlichen Häuser wie schützende Höhlen wirken. Erst in der zweiten Hälfte des Films entfalten die Dialoge moralphilosophische Qualitäten, die zeigen, dass die Ideale der Protagonisten nach und nach von der Perspektivlosigkeit der Region zersetzt werden. Wie Ceylan sein Drama über Ambivalenzen in Spannung hält, ist beeindruckende Inszenierungskunst, die ebenso wie die Bilder nach einer großen Leinwand verlangt.

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