Der Phönizische Meisterstreich
USA 2025, Laufzeit: 141 Min., FSK 12
Regie: Wes Anderson
Darsteller: Benicio Del Toro, Mia Threapleton, Michael Cera
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Die neue Wundertüte von Wes Anderson
Von Mäusen und Löwen
„Der phönizische Meisterstreich“ von Wes Anderson
Über den Wolken im Jahre 1956. Anatole „Zsa-zsa“ Korda (Benicio del Toro), gewissenloser europäischer Geschäftsmann, überlebt bereits zum sechsten Mal ein Attentat im Flugzeug. Abgeklärt landet er die Maschine Not und verfolgt weiter unbeeindruckt sein Lebensprojekt: die vermögensbildende Industrialisierung einer brachliegenden Region. Seine Partner allerdings verschwören sich und sabotieren ihn – zur Not bis in den Tod. Zsa-zsa sucht seine Tochter Liesl (Mia Threapleton) im Kloster auf. Sie soll seine Nachfolgerin werden. Die Nonnenanwärterin aber teilt so gar nicht Papas Werte.
Da ist sie also, die neue Wundertüte von Wes Anderson. Ein komisches Drama, gegliedert in fünfeinhalb Schuhkartons. Andere holen die Welt auf die Bühne – Anderson holt die Bühne auf die Welt: Mit 90-Grad-Schwenks durch bunte Bilderbuchkulissen der Wirklichkeit. Mit dem üblichen Staraufgebot im Minutentakt. Flott und frech. Minutiös und präzise. Staunekino, gebettet in Verweis und Zitat. Unverkennbar, einzigartig – und zugleich nicht wirklich greifbar, nicht wirklich berührend. Obwohl? Nun, etwas ist anders hier: Zuerst einmal arbeitet Anderson diesmal mit einem anderen Kameramann. Robert D. Yeoman steht ausnahmsweise nicht zur Verfügung, dafür springt der Franzose Bruno Delbonnel („Die fabelhafte Welt der Amélie“, „Inside Llewyn Davis“, „Macbeth“) ein. Die Kamera bleibt auch bei ihm fest im Stativ verankert, zugleich wirkt Andersons Welt diesmal farblich zurückgenommen, geerdeter. Ansonsten: vieles beim Alten. Bis dann in der letzten Szene, nanu, etwas Besonderes passiert: Wir sind berührt. Und das sind wir ja nicht allzu oft bei Wes Anderson.
Zuerst wähnt man sich eigentlich in einer schrägen Satire auf den Kapitalismus: Zsa-zsa ist das klassische Raubtier. Einer, der auf Pass und Staatsangehörigkeit pfeift, nur um nicht an Menschenrechte gebunden zu sein. Dem Stärke oberstes Gebot ist und der seinen neun Söhnen folglich einbläut, nicht Mensch noch Maus zu sein, sondern Löwe. Der seinen Partnern Handgranaten reicht als Mitbringsel. Der seine Kinder vernachlässigt und sich seiner entfremdeten einzigen Tochter bloß annähert, um sein Projekt zu retten, falls die Konkurrenz ihn aus dem Weg räumt: „Erwischen sie mich, erwischst du sie.“ Liesl indes, als Kind vernachlässigt, tickt rundum anders in ihrer Suche nach Trost und Antworten, die sie im Glauben sucht und nicht findet. Die sich im weltentrückten Kloster verirrt und sich in der Welt, in die sie hinaustritt, nicht zurechtfindet. Also stellt sie ihrem Vater Fragen, wie: „Bist du überhaupt mein Vater?“ Dieser „Vom Tellerwäscher zum Millionär“-Vater, von dem sie sich eigentlich wünscht, es liefe bei ihm mal andersrum. Ja, hier steckt mehr drin in diesem kunterbunten Bilderbuch. Versteckt im Komischen, bettet Anderson eine kleine Tragödie in die rosa Watte. Und wir sind von ihm berührt wie seit „Moonrise Kingdom“ nicht mehr, wenn auch anders. Und, natürlich, sind wir amüsiert wie immer. Am Staunen. Wundertüte, halt.
(Hartmut Ernst)
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