Anfang August wurde Robert Stadlober 28 Jahre jung. Dennoch  hat er bislang bereits in rund 50 Film- und Fernsehproduktionen vor der  Kamera gestanden, in Hans-Christian Schmids „Crazy“, Marco  Kreuzpaintners „Sommersturm“ und „Krabat“ oder in der Titelrolle des  „Peer Gynt“ unter Uwe Janson. Er ist einer der bekanntesten und  beliebtesten deutschen Schauspieler seiner Generation und ist jetzt in  „Zarte Parasiten“ im Kino zu sehen. Darin spielt er einen jungen Mann,  der die Bedürfnisse seiner Mitmenschen erkennt und diese auf nicht ganz  uneigennützige Weise zu befriedigen versteht.
engels: Herr Stadlober, was macht für Sie das Besondere an Ihrer Figur aus?
Robert Stadlober: Das ist eine komplexe Frage. Jakob ist ein junger Mann, der sich zu  einem bestimmten Zeitpunkt in seinem Leben entscheidet, einen vollkommen  anderen Weg zu gehen, als der Weg eines jungen Menschen, der der Norm  entspricht. Er entscheidet sich für ein Leben, in dem er auf eine  gewisse Art und Weise Menschen Gesellschaft leistet und darüber auch  sein eigenes Leben bestreiten möchte. Darin sieht er eine Idee, auf eine  sehr stoische und eine sehr konsequente Art sein Leben zu verfolgen,  die mit nichts, was man so kennt, konform ist. Aber eben auch nicht aus  einem Rebellentum oder einer romantischen Vorstellung vom wilden, freien  Leben gespeist ist, sondern einfach aus einer ziemlich konkreten  Vorstellung, wie seiner Meinung nach „Geben und Nehmen“ funktioniert.
Glauben  Sie, dass dieses Konzept auch im wirklichen Leben funktionieren könnte,  dass es sich um eine Marktlücke für ein neues Geschäftsmodell handelt?
Nein,  das sehe ich nicht so. Natürlich geht es auch darum, dass Jakob und  seine Freundin mit diesem Konzept überleben können, aber dabei steht das  Überleben im Vordergrund, und nicht der finanzielle Gewinn. Mit dieser  Idee können sich die beiden über Wasser halten, aber der Hintergedanke  ist für mich eindeutig das gegenseitige „Geben und Nehmen“ in einer  durchaus von Geld regierten Welt. Das hat aber auch nicht unbedingt  etwas mit Kapitalismuskritik zu tun. In einer Welt, die sich nun einmal  so verhält, geht es darum, sich anders zu verhalten, und trotzdem für  sich die Nische zu finden, die dem eigenen Selbst besser entspricht.
Nach  welchen Kriterien suchen Sie sich Ihre Rollen aus, sind es die  Drehbücher oder die Menschen, die in das Projekt involviert sind?
Sowohl  als auch, das ist immer ein bisschen was von beidem. Ich habe über die  Jahre festgestellt, dass es mir mittlerweile wichtiger ist, dass es mit  den Leuten klappt, da es ja doch Lebenszeit ist, die man mit  Dreharbeiten verbringt. Die Filme, für die ich mich entscheide, haben  sehr häufig mit dem zu tun, was mich selbst auch persönlich  interessiert, und weniger damit, was für meine Karriere interessant sein  könnte. Ich verdiene bei meinen Projekten meist wenig Geld, habe dafür  aber eine großartige Zeit, und das ist für mich das Wichtigste. Bei  „Zarte Parasiten“ kannte ich die beiden Regisseure im Vorfeld schon  länger. Ich wusste auch schon, bevor ich das Drehbuch gelesen hatte,  dass ich für die Rolle zusagen werde. Als ich es dann gelesen hatte,  passte es dann auch wie „Arsch auf Eimer“, weil es einfach großartig  war, und das kam dann auf eine sehr angenehme und positive Art zusammen.
Und  in diesem Zusammenhang ist es Ihnen dann vielleicht auch gar nicht so  wichtig, ob ein Drehbuch fürs Kino oder fürs Fernsehen verfilmt wird, da  Sie zwischen den beiden Medien ja hin- und herpendeln?
Na  ja, Kino ist mir schon wichtiger. Ich versuche eigentlich schon,  ausschließlich Kino zu machen. Fernsehprojekte sind bei mir dann doch  eher die Ausnahme. „Tatort“ mache ich schon mal ganz gerne, aber die  Freiheit, die man bei Kinoprojekten hat, ist einfach eine größere. Ich  glaube auch, die Art der Arbeit ist beim Kino eine intensivere, weil man  dabei nicht den Sender im Rücken hat und deswegen freier vorgehen kann.  Und am Ende sieht auf der Leinwand alles einfach besser aus als auf dem  Bildschirm (lacht).
Im Film geht es um Bedürfnisse und  Sehnsüchte. Gibt es bei Ihnen eine eigene Sehnsucht, die Sie gerne  gestillt haben würden, wenn Sie die gleichen Möglichkeiten hätten wie  das Ehepaar in „Zarte Parasiten“?
Nein, ich versuche  eigentlich immer, meine Sehnsüchte halbwegs selber zu stillen. Meine  größte Sehnsucht ist Fernweh, und die kann ich durch meinen Beruf sehr  gut ausleben, weil ich da nicht so ortsgebunden bin und immer wegfahren  kann, wenn ich will. Das nutze ich auch regelmäßig aus.
Wie  sieht es denn mit der internationalen Karriere aus? Sie haben 2001  unter Jean-Jacques Annaud in „Enemy at the Gates“ mitgespielt, danach  dann aber doch eher wieder in rein deutschen Filmen mitgewirkt?
Ab  und zu gehe ich mal auf Castings für internationale Produktionen. Aber  ich merke dann immer wieder, dass ich mich doch sehr europäisch und in  Europa zu Hause fühle und besonders hier gerne Filme mache. Eine  internationale Karriere zu verfolgen ist mir, ehrlich gesagt, ein  bisschen zu anstrengend. Dafür reicht mein Ehrgeiz nicht aus, mich da so  konsequent dahinterzuklemmen. Wenn’s passieren würde, würde ich mich  natürlich nicht dagegen wehren, dann wäre mir auch wurscht, ob ich in  Hollywood oder Kasachstan drehen würde oder sonst wo. Ich würde überall  drehen. Aber ich würde mir dafür jetzt nichts abbrechen wollen.
Sie  sind ja auch sehr musikalisch, gerade ist ein neues Album ihrer Band  „Gary“ erschienen. Gibt es Ambitionen, die Film- und die Musikkarriere  einmal zu kombinieren?
Nein, das wird dann immer gleich so  Roy Blackmäßig. Ich habe schon häufiger darüber nachgedacht, aber ich  weiß auch nicht, wo für mich da das Problem ist. Irgendwie passt das für  mich im Kopf nicht zusammen. Bei fast jedem Film fragt mich jemand, ob  ich einen Song zum Soundtrack dazusteuern möchte. Aber bisher war es  immer so, dass es für mich irgendwie nicht passte. Das ist eine  Doppelung, die ich nicht richtig finde.
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