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August Bebel, Gemälde von Georg Tronnier (Ausschnitt)

Lieber Engels!

30. Januar 2024

engelszungen 02/24

Leipzig, den 22. September 1880.

Ich habe Sie auf eine Antwort auf Ihren Brief vom 27. März bis heute warten lassen. Ich kann diese lange Pause damit entschuldigen, dass ich von jener Zeit bis Anfang September, mit sehr kurzen Unterbrechungen, fast stets auf der Reise war. Die kurzen Unterbrechungen waren aber wieder so mit anderen Arbeiten in Anspruch genommen, dass ich nicht die Zeit zu einer Antwort fand.

Nach dieser langen Pause will ich auch auf verschiedene persönliche Angelegenheiten, die in Ihrem Brief erwähnt werden, nicht weiter zurückkommen.

Es wäre mir angenehm, wenn Sie die von mir gewünschten Photographien, von Ihnen und Marx, Liebknecht mitgeben könnten. Ebenso bitte ich Sie, diesem vier Pfund Tee, oder wenn ihm dies für seinen Koffer zu viel sein sollte, drei Pfund auf meine Kosten mitzugeben. Liebknecht soll die Kosten für mich vorlegen, ich habe vergessen, es ihm mitzuteilen.

[…]

Sie haben ja vollkommen recht, wenn Sie in Ihrem letzten Brief ausführen, wie alle Tätigkeit unserer Gegner schliesslich zu unseren Gunsten ausfalle, und wie namentlich die unruhige Vielgeschäftigkeit und zerstörerische Tätigkeit Bismarcks uns in die Hände arbeite. Aber damit allein kann sich doch niemand von uns zufrieden geben; wir müssen die Löcher, die jener gräbt, weiter schaufeln und die Unzufriedenheit, die seine Tätigkeit wie die fortdauernde allgemeine Misere erzeugt, nach Kräften schüren, und da müsst Ihr so gut wie wir helfen.

Recht interessante Überraschungen wird uns die Handelsministerschaft Bismarcks bringen. Hier ist er auf ein Gebiet geraten, auf dem er sich die Zähne sicher ausbeisst und auf dem er obendrein nicht anders als im höchsten Grade Unzufriedenheit säend wirken kann. Bringt er wirklich Gesetze zugunsten der Arbeiter, so hat er erstens die gesamte Bourgeoisie gegen sich, und er wird zweitens die Arbeiter nicht gewinnen, weil er beim besten Willen doch nur Halbheiten bieten kann. Von allen Ämtern, die er bisher bekleidete, ist das, was er jetzt angenommen hat, dasjenige, was ihn am gründlichsten ruinieren wird.

Ein weiterer Vorteil wird sein, dass durch die heftige Polemik, welche seine Massnahmen notwendig hervorrufen, die indifferenten Massen aufgerüttelt und zur Teilnahme am und zur Parteinahme im öffentlichen Leben gezwungen werden. Das kann wiederum niemand mehr nutzen als uns. So vorteilhaft das alles ist, wir müssen die Situation auch für uns ausbeuten.

[…]

Herzliche Grüsse an Sie und Marx

v. Ihrem

A. Bebel 

Reichskanzler Bismarck, der zugleich preußischer Ministerpräsident war, hatte im September 1880 auch das preußische Handelsministerium übernommen, zu dessen Ressort die Sozialpolitik gehörte. Bismarck scheiterte nicht an seiner für die damalige Zeit fortschrittlichen Sozialpolitik, sondern am Sozialistengesetz. Als es 1890 auslief, war die sozialistische Arbeiterbewegung stärker denn je.

Quellenangabe: August Bebels Briefwechsel mit Friedrich Engels, hg. von Werner Blumenberg, London, The Hague, Paris 1965, S. 93-96; Abb.: August Bebel, Gemälde von Georg Tronnier (Ausschnitt)

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