Die digitale Technik eröffnet perfekte Möglichkeiten zur Überwachung. Diskret und effektiv kontrolliert sie menschliches Verhalten. Wo Bewegung im Spiel ist, darf sich die Tanzkunst herausgefordert fühlen. So arbeitet das Tanzduo Maria Kobzeva und Sandra Domnick in seiner Produktion „Following“ mit einer Drohne, die dem Publikum das Geschehen auf der Bühne aus ungewohnter Perspektive zeigt. Neben der politischen wirft auch die ästhetische Dimension interessante Fragen auf, weil Tanz plötzlich in räumlicher Tiefe und flächiger Unmittelbarkeit erlebbar wird. Die beiden Tänzerinnen aus Frankfurt am Main sind Teilnehmerinnen des 14. SoloDuo Festival NRW + Friends, das nach einem Jahr mit digitalen Beiträgen nun vom 20. bis 22. Mai wieder analog in der Tanzhalle von Barnes Crossing stattfinden kann.
Die Erfahrung mit den Einschränkungen der Pandemie hat Spuren hinterlassen, wie die beiden Kuratorinnen des Festivals Andrea Lucas und Ilona Pászthy bei der Auswahl der Bewerbungen feststellen konnten. Von 60 weltweiten Einreichungen schafften es 18 ins zweitägige Programm, das international besetzt ist. Der Körperkontakt wird in den Duos nicht unbedingt gesucht. Während der Pandemie gab es weniger Möglichkeiten sich zu treffen, man muss also wieder zueinander finden. Eine Beobachtung, die sich in den Soli auf ähnliche Weise fortsetzt. Mit Requisiten und Objekten wird nicht experimentiert, die Konzentration liegt auf der eigenen Bewegungsqualität.
Ethnische Traditionen können dabei eine Rolle spielen. So präsentiert die aus Norwegen anreisende Amisha Kumra orientalische Tanzfiguren mit den expressiven Mustern des Modern Dance. Ein ganz eigenes Bewegungsrepertoire bringt Iftach Vardi mit seiner Choreographie „Anthem for Love & Hate“ aus Barcelona mit. Er zählt zu den wenigen Tänzern des diesjährigen Programms. Der weibliche Anteil dominiert und Themen wie Feminismus, Identität und Diversität werden oftmals in den Choreographien aufgegriffen. Eine Beobachtung, die sich in allen Strukturen der Tanzwelt von der Arbeitspraxis bis zu den Förderprogrammen beobachten lässt. Zugleich stellt sich die Frage, wie Begehren dargestellt werden kann in einer Welt, die political correctness als Richtwert ausgibt. Wenn jemand eine Antwort darauf finden kann, dann ist es die Tanzkunst.
SoloDuo Tanzfestival | 20., 21.5. 20 Uhr, 22.5. 15 Uhr | Barnes Crossing | 02236 96 35 88
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Tanz auf Augenhöhe
„Chora“ in der Tanzfaktur – Tanz in NRW 12/23
Die Erderwärmung Tanzen
Heißzeit in der Bandweberfabrik
Eine Sprache für Objekte
Bundesweites Festival Zeit für Zirkus 2023 – Tanz in NRW 11/23
Die Sprache der Bewegung
Die Comedia lockt das junge Publikum zum Tanz – Tanz in NRW 10/23
Kinshasa und Köln
„absence#4“ im Barnes Crossing – Tanz in NRW 09/23
Den Nerv der Zeit erkannt
Screen Dance Academy #3 in Wuppertal – Festival 08/23
Tänzerinnen als „bad feminist“
tanz.tausch in Köln – Tanz in NRW 08/23
Den Blick weiten
Internationales Tanz-Netzwerk Studiotrade – Tanz in NRW 07/23
Visionen, Mut und Fleiß
Rund zehn Jahre Kölner Tanzfaktur – Tanz in NRW 06/23
Dialoge der Körper
SoloDuo Tanzfestival in Köln – Tanz in NRW 05/23
Das überraschende Moment
Bühnenbildner miegL und seine Handschrift – Tanz in NRW 04/23
Gesellschaftlicher Seismograph
8. Internationales Bonner Tanzsolofestival – Tanz in NRW 03/23
Akustischer Raum für den Tanz
Jörg Ritzenhoff verändert die Tanzwahrnehmung – Tanz in NRW 02/23
Kann KI Kunst?
Experimente von Choreografin Julia Riera – Tanz in NRW 01/23
Wie geht es weiter?
Mechtild Tellmann schaut auf Zukunft des Tanzes – Tanz in NRW 12/22