Längst Tradition ist dieser Herbsttermin für Wuppertals Freunde der bildenden Kunst: An zwei Wochenenden öffnen Galerien und Ateliers ihre Pforten – gern an die zweihundert und stets einmal im Osten der Stadt, einmal im Westen. Dass die Künstler ihre Werke dabei nicht nur zur Schau stellen, sondern auch zum Kauf, tut der Chance zum zwanglosen Bummel keinen Abbruch: Mit und ohne Erwerbswunsch ist die WOGA immer auch Gelegenheit, einfach nur zu gucken und Kunstort an Kunstort zu reihen.
Wobei diese vage Bezeichnung schon andeutet: Die Orte sind sehr verschieden, die Ambitionen auch. Wer Kunst-Hopping mag und vielleicht von Aktionen wie den „Museumsnächten“ kennt, merkt schnell: Von den dort vertretenen Galerien nimmt heute nicht jede teil. Zu breit mag manch Etabliertem bei der WOGA das Spektrum scheinen, in dem sich auch Hobbygruppen ebenso tummeln wie Cafés mit Ausstellungswand oder auch eher schicke als tiefgründige Designer. Nur eines vielleicht eint sie alle, und wenig ist das ja nicht: Sie wollen zeigen – Werke, Ideen, Techniken.
Bei Gemeinschaften wie den „Bunten Füchsen Vohwinkel“ finden sich Naturmalerei, Filzarbeiten, auch liebevolle Puppenhäuser – und ihre Akteure haben kein Problem zu sagen: „Bei uns wird auch gebastelt.“ Auch die „KünstlerKolonie Dönberg“ ist ein loser Zusammenschluss aus Kreativen eines Stadtteils, präsentiert sich allerdings zentraler: im Café Ada an der Wiesenstraße. Getreu dem Atelier-, sprich: Werkstattcharakter kann man hier auch Handwerkliches erfahren, wo es Richtung Kunsthandwerk geht. Holzkünstler Manfred Mestel erklärt, wie man drechselt, Malerin Ingrid Fach, wie man lasiert: Tröpfchenweise gibt sie Rot in eine Schale, tunkt ein, tupft. Man lernt: Beim Lasieren mischen sich die Farben nicht.
Marie Fenske arbeitet nach dem Grundsatz „Alles überlagert sich“ mit Schichtungen und stellt intensive Panoramen in der harmoniesatten Praxis „Klang und Schwingung“ aus. Das mag nicht jedem liegen, wirkt als Ort-Kunst-Kombi aber sehr stimmig. Bei alteingesessenen Künstlern wie André Kern oder Bernd Bähner in der Luisenstraße genügt, wenn es drinnen gerade zu eng ist, schon ein Blick von außen, um Spuren des Werkelns, etwa Dosen und Joghurtbecher voller Farbe, zu erspähen.
In den Mirker Ateliers, gegenüber der jungen „Utopiastadt“ schon über zehn Jahre hier angesiedelt, liegt nicht nur Werkzeug auf den Tischen, sondern auch schon mal Material auf Halde, das anderenorts vielleicht selbst zum Kunstobjekt taugen könnte: Bei Barbara Brost, Schöpferin filigraner Zeichnungen und Fabelwesen, ist in Kästchen eine Sammlung Hühnerknochen zu entdecken, bei der Kollegin nebenan Mini-Lettern aus der Buchstabensuppe – säuberlich geordnet von A bis Z. Wer weiß, was draus wird.
Was ist Kunst? Kann das weg? Und wenn ja, wie viele? Auch zu derlei Gegrübel gibt es am WOGA-Tag beim Schlendern genug Gelegenheit, gerade wenn am Weg die Antworten so unterschiedlich sind. Dann mag man auch schon mal die knalligen Foto-Großformate beim internationalen Crack arg forciert finden oder nicht einsehen, warum eigentlich Produktdesign so oft ums Verrecken Kunst sein will. Ein Ort wiederum wie die „Quermalerei“ am Platz der Republik mag als Nähschule, Café, Atelier, Bühne etwas viel der Kombi bieten – dafür aber doch hochwillkommen sein zur Pause bei köstlichem Kuchen. Eine WOGA ist ja doch auch ein Gesamterlebnis.
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Guido Scholz
Nahaufnahme – KreativSzene Wuppertal
Martin Michels
Nahaufnahme – KreativSzene Wuppertal
Andrea Rompa
Nahaufnahme – KreativSzene Wuppertal
Barbara Brost
Nahaufnahme – KreativSzene Wuppertal
Jürgen Gottmann
Nahaufnahme – KreativSzene Wuppertal
Klaudia Anosike
Nahaufnahme – KreativSzene Wuppertal
Lena Mai Merle
Nahaufnahme – KreativSzene Wuppertal
Seine Figuren erzählen keine Geschichten
„Metamorphosen des Körpers“ im Von der Heydt-Museum
– kunst & gut 08/22
Artifizielles Müllrecycling mitten im Wald
„Unklumpen“ im Skulpturenpark Waldfrieden
– kunst & gut 07/22
Als sich die Abstraktion erst mal in Luft auflöste
„Zero, Pop und Minimal“ im Von der Heydt Museum
– kunst & gut 05/22
Wenn der Zucker macht, was er will
Markus Heinzelmann über„Die Kraft des Staunens / The Power of Wonder“ – Sammlung 05/22
„Sichtbarkeiten für Künstlerinnen schaffen“
Direktor Nico Anklam über Flo Kasearus Retrospektive in Recklinghausen – Sammlung 04/22
Landschaftspflege auf Leinwand und Fotopapier
Hans-Christian Schink im Von der Heydt-Museum
– kunst & gut 04/22
Das Porträt zur Abwesenheit
Matthias Schaller im NRW-Forum Düsseldorf – kunst & gut 03/22
Von der Macht der Klangerzeuger
100 Jahre Elektromusik – eine Zeitreise im Düsseldorfer Kunstpalast – kunst & gut 02/22
Regeln der Kunst
Die Sammlung des Josef Albers Museum Quadrat Bottrop zu Gast in Hagen – kunst & gut 01/22
Der neue Blick auf die Welt da draußen
„Brücke“ und „Blauer Reiter“ treffen im Wuppertaler Von der Heydt-Museum aufeinander – kunst & gut 01/22
„Es geht um den künstlerischen Seitensprung“
Comic-Experte Eckart Sackmann über die Ausstellung „VINYL!“ in Oberhausen – Sammlung 01/22
Viel farbiger Strom im Keller
„Faszination Licht“ im Zentrum für internationale Lichtkunst – kunst & gut 12/21
Nutzen und Ausnutzen des Wassers
„Produktivkraft Fluss" in der Barmer Kunsthalle – Ausstellung 11/21
Fett, Gold und tote Tiere
Ute Klophaus im Von der Heydt Museum – kunst & gut 11/21
„Es war ein Aufbruch zu einem neuen Denken“
Roland Mönig zu „Brücke und Blauer Reiter“ – Sammlung 10/21
Panoptikum der Gegenwart
Andreas Gursky in der Küppersmühle Duisburg – kunst & gut 10/21
„Wir leben in dystopischen Zeiten“
„Willkommen im Paradies“ im NRW-Forum Düsseldorf – Sammlung 09/21
Stille Denkfabrik im White Cube
Christoph Schlingensiefs „Kaprow City“ in Düsseldorf – kunst & gut 08/21