Peter Buggenhout denkt groß: Über 12m hoch und über 12 Tonnen schwer ragt ein Gebilde mitten im Skulpturenpark in die Höhe – ein vertikaler Fremdkörper aus Metallstreben mit Rädern, auf den keine Beschreibung so recht passen will. Der aber eine gewisse Ehrfurcht auslöst. Er wurde schließlich absichtsvoll gestaltet und aufwendig mit schwerem Gerät am steilen Waldhang installiert. Wer macht so was und warum?
Zum Start in die Ausstellungssaison 2025 zeigt Peter Buggenhout (geb. 1963) seine gewaltigen Materialcollagen aus Schrott, Sperrmüll und Fragmenten entsorgter Nutzobjekte, die ihre Funktionalität verloren haben. Mit seinem Team im Atelier in Gent biegt, verformt, zerschneidet, schweißt und umwickelt der belgische Künstler all diese Fundstücke und fügt sie zu eigenwilligen Skulpturen so zusammen, dass möglichst nichts mehr an ihren einstigen Gebrauch erinnert. Ihr „Vorleben“ ist dem Künstler egal. Nicht die ursprüngliche Form bestimmt, ob er ein Fundstück verwendet, sondern dessen Materialeigenschaften und die Möglichkeiten der Verarbeitung. Also, ob die Stücke sich in dauerhaften Verbindungen mit anderen Objektfragmenten in eine Skulptur verwandeln lassen, die im Raum eine Energie entfalten. Ästhetik, Intuition und auch Statikkenntnisse bestimmen den Produktionsprozess im Atelier. Für die Installation der massiven Werkstücke in Ausstellungshallen oder im freien Gelände ist Transportlogistik und Profisupport vonnöten. Für das imposante Objekt aus der Werkgruppe „Babel Variationen“ mitten im Park hatte der Künstler einen orange- und einen türkisfarbenen LKW-Anhänger mit Rädern und Achsen auf dem Weg zur Verschrottung abgefangen und mit anderem Altmetallschrott, Kunststoffteilen, Planen o.ä. fest verschränkt und senkrecht aufrichten lassen. Ein starkes Stück, das man sprachlos umrundet – Ähnliches gab es noch nie.
„Material: Divers“ steht auf den Werketiketten aller neun Arbeiten, die Buggenhout in zwei Hallen, in der Villa und im Parkgelände präsentiert. Die mittlere Halle beherrscht eine einzige imposante Skulptur, die der Künstler 2014 als Wandstück konzipiert hatte. Hier wird sie nun vor einem Gerüst mitten im Raum fast schwebend präsentiert (und von hinten durch mächtige Wassercontainer und Stahlseile gehalten). Das amorphe Gebilde mit rostig-staubiger Kruste aus kaum identifizierbarem Sperrmüll, Matratzenteilen, Gitterrost und Holzlatten erhält in dem von dichter Vegetation umgebenen Glasbau eine finstere, fast bedrohliche Anmutung. Ganz anders die vier farbenfrohen Werke aus der „On Hold“-Werkgruppe in und vor der ovalen Glashalle auf einer Lichtung am oberen Parkende. In spannungsgeladener Schräglage installiert, verströmen sie Dynamik und Leichtigkeit und lassen zudem erahnen, dass Buggenhout seine Künstlerkarriere in den 1980er Jahren als Maler begonnen hat.
Buggenhouts Werke sind, was sie sind: Material im Raum. Der Künstler möchte nichts nachformen oder abbilden, sondern rohe, rotzige Objekte schaffen, die vertraute Sehgewohnheiten massiv unterlaufen und in ihrer Unbeschreiblichkeit als Sinnbilder für die unbegreiflich komplexe Welt geradezu unverrückbar ihren Platz behaupten.
Peter Buggenhout – Umleitung | bis 10.8. | Skulpturenpark Waldfrieden | 0202 47898120
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