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Daniel Richter, Es liegt aber, sagte der Wolf, 2011
© VG Bild Kunst Bonn 2025 Daniel Richter

„Kein ausschließlich apokalyptischer Nachklang“

28. Mai 2025

Kuratorin Katja Pfeiffer über „Do worry, be happy“ in der Kunsthalle Barmen – Sammlung 06/25

In der Ausstellung zeigen aufstrebende Künstler:innen und Kunststudierende der Bergischen Universität Wuppertal ihre Arbeiten zusammen mit etablierten Künstler:innen. Zu sehen sind Installationen, Malereien, Fotografien und Videoarbeiten, die sich mit den Sorgen und Bewältigungsstrategien der Bürger:innen angesichts des aktuellen Weltgeschehens befassen.

engels: Frau Pfeiffer, der Titel der Ausstellung lautet „Do worry, be happy“ – lassen sich die derzeitigen Sorgen der Bürger:innen tatsächlich in einer Kunsthalle verringern?

Katja Pfeiffer: Wir haben nicht den Anspruch, die Sorgen zu verringern. Das kann die Kunst auch nicht leisten. Wir hatten aber den Eindruck, dass wir einen Beitrag zur Reflexion leisten können, dass wir vielleicht über bestimmte Formen dieser Sorgen und deren Folgen in den Dialog kommen können. Da gibt es beispielsweise das Phänomen des „Doomscrolling“: Wenn man im Internet lange genug sucht und damit die diversen Algorithmen lang genug trainiert, dann findet man immer schrecklichere Dinge. Unter anderem aus solchen Mechanismen resultieren am Ende Verschwörungsmythen. Indem man sich auf der Suche nach Antworten in sogenannte „Rabbit Holes“ begibt, landet man bei immer unterirdischeren Theorien. Es gibt einige Arbeiten in der Ausstellung, die sich mit solchen Phänomenen befassen und anhand derer wir darüber sprechen können. Gerade wenn wir Schulklassen einladen, haben wir den Eindruck, dass wir über solche Phänomene ins Gespräch kommen und gemeinsam drüber nachdenken können, wo denn die zeitgenössischen Sorgen herkommen, und ob sie berechtigt sind. 

Ist politische Kunst heutzutage wieder attraktiver? Politische Kunst hat doch oft nur eine kurze Halbwertzeit, oder?

Ich weiß nicht, ob die politische Kunst je unattraktiv geworden ist. Es gab und gibt ja immer weiter Protagonist:innen, die sich in dieser Form ausdrücken. Da kann man an die von uns ausgestellte Frankfurter Hauptschule denken, an Heiner Blum, der sie in Teilen ausgebildet hat oder auch ganz klassisch an Josef Beuys. Alles Künstler:innen, die sich auf eine sehr deutliche Weise politisch positionieren. Ich weiß aber gar nicht, ob man das immer gleich politische Kunst nennen muss. Es hat eher etwas mit den Themen zu tun, die da verhandelt werden. Für uns sind politische Themen in den Fokus gerückt, weil es in der Studierendenschaft eine Verschiebung gab hin zu solchen Fragen. Das kam ganz eindeutig nach der Coronapandemie und dem überwiegenden Distanzunterricht. Danach kamen veränderte Studierende zurück, die sehr viel nachdenklicher waren über die Dinge, die in der Welt passieren und die dann auch selbst veränderte Arbeiten gemacht haben. Ging es vorher vorrangig um auf die Form bezogene Fragen, gab es auf einmal wieder Arbeiten, die sich mit Fragen des Zeitgeschehens auseinandergesetzt haben. Diese Verschiebung haben wir wahrgenommen und das in der Folge zur Debatte gestellt. Aber es geht uns nicht um das Label „politische Kunst“. Wir stellen in der Kunsthalle auch Bilder von Daniel Richter aus, und der behauptet zumindest von sich, dass seine Kunst nicht politisch sei. Ob Kunst politisch gelesen wird, ist allerdings nicht nur eine Frage der Künstler:innen, sondern vor allem auch der Rezeption und des Kontextes, in dem sie als politisch oder unpolitisch gelesen werden kann.

Der Ausstellungstitel hört sich auch ein bisschen nach der Kunstrichtung Fluxus an. Sind das die Nachwirkungen von Bazon Brocks Ästhetik-Lehrstuhl in Wuppertal?

In meinem Fall sicherlich nicht. Ich habe Brock an der Fakultät nicht mehr erlebt. Interessanter ist, dass die Künstler:innen des Teams der Kunsthalle Barmen aus verschiedenen Generationen stammen, die unterschiedliche Prioritäten haben. Diese Titelfindung war daher eine interessante kleine Odyssee, weil wir unfassbar viele Vorschläge hatten. Da gab es Titel, die weniger optimistisch waren, und es gab Titel, die ein bisschen albern klangen. Wir haben dann eine Mehrheitsentscheidung getroffen und die Teile des Teams, denen es wahnsinnig wichtig war, noch einen Restfunken Hoffnung im Titel zu behalten, haben sich durchgesetzt. Es sollte unbedingt keinen ausschließlich apokalyptischen Nachklang geben. Der „Abendgang des Unterlandes“ hatte uns zwischendurch aber auch ganz gut gefallen. 

Kommen wir mal zur Ausstellung – was wird zu sehen sein?

Bei insgesamt 19 Positionen ist es nur möglich, einen kleinen Einblick zu geben. Wir haben nicht nur ziemlich unterschiedliche Medien und Arbeitsweisen zusammengetragen, sondern vor allem auch ein ziemlich umfangreiches Altersspektrum. Die älteste Künstlerin, deren Arbeiten wir zeigen, ist Christiane Möbus. Sie ist Jahrgang 1947. Aber wir haben auch wieder 25-jährige Studierende dabei. Und die jungen Menschen verhandeln interessanterweise ganz ähnliche Themen, da diese wohl in jeder Generation in veränderter Form wieder auftauchen. Schon in den 1970er Jahren hat Christiane Möbus über erste Anzeichen des Klimawandels nachgedacht, zeitgenössisch haben wir eine Dokumentation über den Widerstand in Lützerath und anderen Baumhaus-Camps im Protest gegen RWE. Dann haben wir Daniel Richter mit drei großen Gemälden. Großartig ist auch, dass wir eine Kooperation mit dem Von der Heydt-Museum eingehen durften, dessen Leiter Dr. Roland Mönig uns für die Ausstellung einige Blätter von Goya anvertraut. Es ist überaus spannend, in der Kunstgeschichte Belege für ganz ähnliche Fragen zu menschlichen Ängsten zu finden wie sie uns heute beschäftigen. 

Wie viel Fröhlichkeit steckt noch in den Exponaten?

Das ist eine Frage, welche Form von Fröhlichkeit oder Humor man sucht. Natürlich gibt es einige ironische Ansätze oder auch melancholisch-freundliche Betrachtungen, die eher poetisch wirken. In einer ganzen Reihe von Arbeiten steckt durchaus Humor, wobei wir uns bemüht haben, keine zynischen Werke zu zeigen. Aber viele der Kunstwerke sind natürlich hintergründig. Ich denke gerade an die Arbeit von Toni Schmale, bei der mich schon der Titel „Ach ach ach“ amüsiert. Sie adressiert mit dem Werk die Angst der Menschen vor dem Scheitern der Selbstoptimierung. Wir sollen zwar alle immer besser in jedem Lebensbereich werden, aber ständig steht man vor dem Scheitern. Auch bei Jody Korbach geht es darum, wie Menschen in den heutigen Zeiten eigentlich ihr ganz normales Leben fortsetzen, jeden Morgen aufstehen und ihrer Arbeit nachgehen können, während in anderen Teilen der Welt alles zusammenbricht. 

Katja Pfeiffer, Foto (Ausschnitt): Sigurd Steinprinz, 2024

Im Rahmen der Ausstellung sollen auch Workshops und Gesprächsformate stattfinden. Auch über den Kunstmarkt und der Konkurrenz durch KI?

Kunstmarkt und KI ist nicht das Thema dieser Ausstellung. Wir werden das sicher in anderen Zusammenhängen aufgreifen. Im Moment geht es uns um Fragen des Zusammenlebens, zu Kunst und deren Wirksamkeit in einem gesellschaftlichen Dialog. Das wahrscheinlich streitbarste Kunstwerk, das wir in der Ausstellung zeigen, ist von der Frankfurter Hauptschule, einem Künstlerkollektiv, das als Fanal gegen die Gentrifizierung des Frankfurter Bahnhofsviertels dort 2018 ein ausgebranntes Polizeiauto abgestellt und damit natürlich für einen Skandal gesorgt hat. Das ausgebrannte Auto stand dann eine Zeit lang im Hof der Städelschule und ist schließlich auf der Art Cologne aufgetaucht. Wir übernehmen es solchermaßen zum Artefakt gewandelt mit einer etwas anderen Konnotation. Ursprünglich ging es darum, mit drastischen Mitteln auf die Vertreibung von Obdachlosen und Drogenkonsument:innen aus dem Stadtbild aufmerksam zu machen. Wir wollen damit etwas anderes, denn in Barmen kann es nicht darum gehen, so zu tun, als stünde der Stadtteil kurz vor dem Ausbruch von Bandenkriegen. Wir möchten die Barmer Bevölkerung überhaupt nicht ärgern, denn Wuppertal hat ein tolles städtisches Bürgertum, das sich sehr um seine Stadtteile und die schönen Dinge in der Stadt kümmert. Seit 2018 sind jedoch eine Menge Dinge passiert, zum Beispiel katastrophale Silvesternächte in Neukölln und viele andere Angriffe auf Polizei und Rettungskräfte. Heute kann man das Auto daher auch als Bild für andere Fragen lesen. Was heißt es für eine demokratische Gesellschaft, wenn ihre Exekutive selbst angegriffen wird? Warum passieren solche Dinge und was müsste geschehen, damit sich Sicherheitskräfte sicher und eine Bevölkerung von den Sicherheitskräften gesichert fühlt und nicht in Teilen gegen sie aufbegehren möchte? Um solche Fragen zu stellen, haben wir gemeinsam mit Dr. Tim Lukas, der an der Bergischen Universität zu urbanen Angsträumen forscht, eine Veranstaltung entwickelt, die auf dem Vorplatz stattfindet, einem Forum, auf dem man im öffentlichen Raum Podiumsdiskussionen abhalten kann. Das Polizeiauto taucht im Rahmen solcher Veranstaltungen auf und bekommt so einen Kontext, in dem wir über die Bedingungen einer gelingenden demokratischen Gesellschaft sprechen können.

Do worry, be happy | bis 31.8. | Kunsthalle Barmen | 0202 43 90

Interview: Peter Ortmann

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