 
		Das Wort „Identifizieren“ lässt sich vom Ursprung übersetzen mit „identisch machen“. Ein Merkmal (ob ethnisch, sexuell oder andere) macht demnach den Menschen aus. Ist diese Festlegung nicht anmaßend – jedenfalls wenn sie von außen kommt? Solche Fragen berührt das Motto der Wuppertaler Literaturbiennale 2022: „Zuschreibungen. Geschichten von Identität.“
Nun rahmt zum sechsten Mal ein so durchdachtes wie offenes Motto ein Programm mit großen und interessanten Namen der Literaturszene. Gewonnen wurde dabei Mithu Sanyal, die mit dem Roman „Identitti“ berühmt wurde. Kaum erstaunlich angesichts des Mottos, ist sie bei dieser Biennale kuratorische Patin und führt Gespräche im Rahmen des Formats „Diskurs und Disko“.
Kim de l'Horizon geht es im Debütroman „Blutbuch“ um Befreiung von Vielem, das eine Person als Einengung wahrnehmen kann: „Geschlechter, Traumata, Klassenzugehörigkeiten.“ Sasha Marianna Salzmann liest aus „Im Menschen muss alles herrlich sein“: Zwei Frauenleben, die trotz gemeinsamer „Heimat“ sehr unterschiedlich verlaufen. Gewissermaßen ähnlich also, aber keinesfalls „identisch“.
Mehrere Autor:innen stehen als Person selbst für Grenzüberschreitungen. So Avan Weis aus Wuppertal, offen nicht-binär und heute zu hören mit meist Lyrischem zu „trans* und autistischer Identität“. Gesellschaft kann ja nicht nur produzieren (Klischees oder Kategorien), sondern auch reduzieren, und so wird hier von „Hürden und Schranken“ die Rede sein. Mit Philipp Schönthaler treffen „Zuschreibungen“ auf Science-Fiction: In seinem Roman „Der Weg aller Wellen“ verliert der Held seine digital verifizierte Identität, was fatale Folgen auch für sein nicht-virtuelles Ich hat.
Zu erleben sind im Verlauf dieser literarischen Woche außerdem Irene Dische, Tomer Gardi, Norbert Gstrein und andere, auch lokale Schriftsteller:innen. Der Hauptpreis der Literaturbiennale geht in diesem Jahr an Annika Domainko; Emily Jeuckens und Katrin Krause erhalten die Förderpreise.
„Geschichten sind Kern unserer Identität“, sagen die Veranstalter der Biennale. „Der Literatur und ihrem Vermögen, die Perspektiven zu wechseln, kommt in diesem Zusammenhang eine herausragende Bedeutung zu. Sie vermag es, Zuschreibungen von außen zu hinterfragen und zu überzeichnen, Identitäten zu konstruieren und aufzulösen.“
Wuppertaler Literatur Biennale | 3.-10.9. | div. Orte | 0202 563 52 97 (Kulturbüro Stadt Wuppertal)
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