Sparschweine sind dazu da, dass man sie mit Geld mästet. Es gibt aber auch Sparschweine, denen man nichts zu futtern lässt, sondern an deren Unterhalt man noch spart. Das sind sogenannte arme Schweine. Die muss Monika Ziller, Vorsitzende des Deutschen Bibliotheksverbands, gemeint haben, als sie jetzt von den Bibliotheken als den „Sparschweinen der kommunalen Haushalte“ sprach. Seit den Neunziger Jahren wurde das Netz der öffentlichen Bibliotheken ausgedünnt, und dennoch ist ihre Nutzung seit der Jahrtausendwende um 22 Prozent gestiegen. Der soeben erschienene „Bericht zur Lage der Bibliotheken in Deutschland“ belegt, dass die rund 11.000 Bibliotheken über 200 Millionen Besucher und 466 Millionen Ausleihen im letzten Jahr vorzuweisen haben.
Damit sind die Bibliotheken die außerhalb der Schule „meistgenutzte Bildungseinrichtung Deutschlands“. Und trotzdem werden sie kurz und kürzer gehalten, oder besser gesagt, ihre Existenz wird von innen her ausgehöhlt. Im europäischen Vergleich steht man schlecht da, so gibt Finnland etwa pro Kopf und pro Jahr für seine Bibliotheken rund 55 Euro aus, in den USA sind es immerhin noch 27 Euro, bei uns lässt man ganze 8 Euro springen. Vor allem bei den Neuerwerbungen ist man knauserig, weniger als 90 Cent gibt es pro Einwohner für den Erwerb von Neuen Medien, und der Personalspiegel wird auch fleißig eingedampft.
So kann man eine gut florierende Institution über blasses Angebot, schwachen Service und geschrumpfte Öffnungszeiten unattraktiv machen. Interessant sind die Zahlen ja auch vor dem Hintergrund der heftig entflammten Zuwanderungsdebatte. Jeder Dorfälteste darf inzwischen verlautbaren lassen, dass Zuwanderer gefälligst Deutsch zu sprechen haben. Dass man aber Sprachkenntnisse mit nichts besser fördert als mit Investitionen in Bildung und Bibliotheken bringt niemand mit diesen Forderungen in Verbindung. An einem Informationsdefizit liegt das aber sicher nicht.
Aufschlussreich ist auch die Tatsache, dass die Bibliotheken durch alle Generationen von den Kindern über Studenten, Familien und Senioren gleichermaßen stark frequentiert werden. Für Schüler und Studenten ist die Bibliothek ein Ort des Lernens, denn sie erfahren unweigerlich bei ihrer Arbeit, dass sich mit Googeln alleine das Informationsangebot nicht erschließen lässt. Es braucht Fachpersonal, um jungen Menschen Informationskompetenz zu vermitteln. Zudem gibt es viele Wissensquellen, die sich nicht über Suchmaschinen erschließen lassen, und geübte Leser wissen, dass der größte Teil der Literatur elektronisch nicht zugänglich ist. Eigentlich sollte man sich ja über diesen Hunger nach Lesestoff und den Erkenntnisdurst, der da in die Bibliotheken getragen wird, freuen. Nur hat er sich bis zu den „Entscheidungsträgern“ auf kommunaler- und Landesebene nicht herumgesprochen. Im Gegenteil, es besteht Grund zu der Annahme, dass die Bibliotheken zunehmend als Bildungseinrichtungen aufgegeben werden. Oder liegt es vielleicht daran, dass die Schweine – so sympathisch sie ja sind – dem Messer, oder sollte man sagen, dem Rotstift des Schlachters so wenig an Verteidigung entgegenzusetzen haben?
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