Nur das Wetter vermag derzeit die Lust auf Bücher zu bremsen. Eine Branche, die seit Jahren schleichende Verluste hinnehmen muss und sich in den großen Ketten darauf verlegt, mehr Spielsachen und Krimskrams als Bücher zu verkaufen, verzeichnet im Weihnachtsgeschäft ansehnliche Umsatzsteigerungen. Das Börsenblatt spricht von 4,2 Prozent Plus gegenüber dem Vorjahr. Das geht aus den Marktdaten hervor, die das Wochenmagazin des Deutschen Buchhandels in 50 Buchhandlungen ermittelte. Allein die vereisten Straßen vermochten in manchen Regionen Deutschlands den Zulauf zu stoppen.
Auch im Rheinland bestätigt sich der Trend, wie Axel Vits vom Anderen Buchladen bezeugt: „Das Geschäft geht im Moment mit Karacho auf Weihnachten zu“, erklärt er. Und es sind etliche Titel, die gleich einer Lokomotive den Run aufs Buch überall antreiben. Florian Illies historisches Panorama „1913“, das bei S. Fischer erschienen ist und jeder bildungshungrige Leser gerne verschlingt, das andererseits aber auch allseits verschenkbar ist, gehört zur Spitzengruppe. Dass der dritte Teil von Papst Benedikts bei Herder erschienener Jesus-Biografie „Jesus von Nazareth: Prolog – Die Kindheitsgeschichten“ zu den Bestsellern gehört, mag nicht verwundern. Immerhin ist die Fangemeinde des Autors recht imposant. Da überrascht eher, dass die aktuellen Titel noch von Büchern überholt werden, die schon im letzten Jahr das Feld anführten. So stand Jonas Jonasson mit seinem Roman „Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand“ – erschienen bei Carl’s Books – auch 2011 schon auf dem Treppchen der Kassensieger. Ebenso wenig in Vergessenheit geraten ist auch Arno Geigers Porträt seines dementen Vaters „Der alte König in seinem Exil“ bei Hanser nicht.
Mit diesem Jahr führt die Branche auch eine Bestsellerliste der Kinder- und Jugendbücher, die zunächst allerdings nur zwei Autoren verzeichnete, die mit ihren Sequels alle zehn Plätze unter sich aufteilten. Beide sind immer noch dabei. Suzanne Collins’ „Flammender Zorn“ – ein weiterer Teil der „Tribute von Panem“ – bei Oetinger ist gut im Geschäft. Der meistverkaufte Titel kann jedoch nur Baumhaus und Jeff Kinney gehören, der mit jedem seiner inzwischen sieben Bücher den Gipfel der Buchbranche erklomm. Sein stammelndes Buchprodukt „Gregs Tagebuch“ spottet mit dem Titel „Dumm gelaufen“ allen Bemühungen eifriger Pädagogen, Niveau in die Lektüre des Nachwuchses zu bringen. Aber wichtiger als das, was gelesen wird, ist der Umstand, dass überhaupt gelesen wird.
Zu den Toptiteln gehört eben auch John Green mit seinem großartigen Roman „Das Schicksal ist ein mieser Verräter“, ebenfalls erschienen bei Hanser. Ein Buch für Leser, die sich in einem Text mit Haut und Haaren verlieren möchten. Albert Cohens bei Klett-Cotta erschienener praller Liebesroman „Die Schöne des Herrn“ erzählt von Solal, einem reichen, gutaussehenden Diplomaten jüdischer Abstammung, der eine leidenschaftliche Affäre mit Ariane, der Frau eines Kollegen, beginnt. Beide sind bemüht, das Feuer der Liebe am Leben zu erhalten. Ein Unterfangen, das zu schicksalhaften Verwicklungen führt. Das einzig beständige Element in diesem Roman – der das Jahrhundert-Thema des Paares, das um den Wert seiner Liebe kämpft, in einer wunderbar ironisch-geschmeidigen Sprache schildert – bleibt seine erotische Kraft, die die 890 Seiten souverän durchströmt.
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