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Ranga Yogeshwar
Foto: © Nora Yogeshwar

Der Kampf lohnt sich

27. Juni 2013

Das Buch kann auch in einer digitalen Welt bestehen – Textwelten 07/13

Wem gehören die Bücher? In den guten, alten Bibliotheken gehörten die Bücher den Institutionen, die sie betrieben. Jeder konnte dort ein Buch ausleihen. Heute lagern die Texte dieser Welt in den gigantischen Computerzentren von Konzernen wie Google oder Amazon. Aber wie ist das, wenn ich einen Roman in elektronischer Ausgabe kaufe? „Nicht dass Sie denken, dass sie den Text eines E-Books besitzen würden, oder ihn wie ein Buch im Regal ihren Kindern vererben könnten“, warnt Wissenschaftsjournalist Ranga Yogeshwar. Denn die amerikanischen Konzerne löschen Texte, wie zum Beispiel George Orwells Roman „1984“, der plötzlich weltweit auf den Lesegeräten verschwand. Und als Amazon mit dem amerikanischen Verlagshaus Macmillan im Streit lag, entfernte man dessen Titel kurzerhand aus dem Angebot.

Zensur ist kein Thema, über das man erst nachdenken müsste, sie ist schon Realität. So pixeln die Konzerne blanke Busen, weil man die amerikanischen Kunden vor solch schockierenden Realitäten glaubt bewahren zu müssen. Ranga Yogeshwar, der im Fernsehen immer so weichgespült die kompliziertesten Zusammenhänge aus Wissenschaft und Technik erklärt, nimmt scharfe Position ein, wenn es darum geht, die Zukunft des Buches zu sichern. Die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung hatte ins Kölner Wallraf-Richartz-Museum zur Diskussion „Zukunft des Buches? Kultur im Digitalen Zeitalter“ geladen. Verräterischer Weise verpasste man dem Titel gleich ein Fragezeichen. Offenbar hält man das gedruckte Buch schon jetzt für einen Ladenhüter, den wir morgen nicht mehr brauchen werden. Aufgefordert waren Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse, Helge Malchow, Verleger von Kiepenheuer & Witsch, und Oliver Scheytt, der Mann, der in Peer Steinbrücks Schattenkabinett für die Kulturfragen vorgesehen ist, über ihre Vorstellung der Bücher von morgen zu sprechen.

So richtig frontal attackierte aber nur Yogeshwar in einer klug arrangierten Powerpoint-Präsentation die momentanen Verhältnisse auf dem Buchmarkt. Dem geht es scheinbar gar nicht so schlecht, denn er liegt im Vergleich zum Vorjahr bei einem Umsatzplus von 3,3 Prozent. Bedrohlich ist eine andere Zahl. Der Onlinehandel ist auf 10,4 Prozent gestiegen, und das heißt, dass die Buchhandlung um die Ecke zusehends in Gefahr gerät. Die Autoren schlagen Alarm mit ihrer Aktion „Schriftsteller machen sich stark für den stationären Buchhandel“ und touren im Juni mit einem Leseangebot durch die Republik. „Buchhandlungen sind unverzichtbar für die kulturelle Vielfalt unserer Städte und das Klima unserer Gesellschaft“, meint denn auch der Romancier und Initiator Michel Kleeberg.

Noch ist es möglich, sich vom literarischen Angebot in einer Buchhandlung inspirieren zu lassen und Beratung von den Buchhändlern zu erhalten. Ein Umstand, den wir in Deutschland genießen, den man in Frankreich und England aber nur noch vereinzelt vorfindet. Und Ranga Yogeshwar verweist auf eine Tatsache, die den Verlegern seit geraumer Zeit Kopfzerbrechen bereitet. Denn im Gegensatz zu den gedruckten Büchern kann ein E-Book zu einem beliebig niedrigen Preis verkauft werden. So stellte Yogeshwar eine 10-Punkte-Liste an Forderungen zum Schutz des Buches auf, die in der Absicht gipfelt, auch die E-Books an eine Preisbindung zu koppeln, da sie sonst den Preis für ein gedrucktes Buch pulverisieren würden. „Die Preisbindung ist das Rückgrat unserer Buchkultur“, erklärt auch Helge Malchow, Verleger von Kiepenheuer und Witsch, und er bedauert zugleich, dass die Bundesregierung der Forderung von Autoren und Verlagen nicht nachkommt, ein entsprechendes gesetzliches Instrument zu schaffen. Es hat sich gelohnt, in den Neunziger Jahren für die Buchpreisbindung zu kämpfen, die in Brüssel geknackt werden sollte. Jetzt befinden wir uns in einer ähnlichen Situation, und Yogeshwar weist auf Frankreich, das sich für eine Sonderbehandlung der Kultur im Freihandelsabkommen mit den USA einsetzt. Statt die Inhalte von Goethe und Thomas Mann gemeinsam mit den Franzosen zu verteidigen, hat die Bundesregierung unsere Nachbarn bisher freilich im Regen stehen lassen.

THOMAS LINDEN

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