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August Bebel in den 1880er Jahren

Lieber Engels!

29. September 2021

Ein Brief von August Bebel, 1. Teil – engelszungen 10/21

Plauen-Dresden, den 3. Oktober 1884

Endlich bin ich in der Lage, Dir wieder direkt ein Lebenszeichen zukommen zu lassen.

Diese fortwährenden Verlängerungen des „kleinen“ [Belagerungszustandes] habe endlich meine Geduld erschöpft, und ich bin aus Borsdorf ausgerissen, um hier wenigstens wieder ein Familienleben führen zu können. Ich bin nunmehr, und zwar zu unser aller Zufriedenheit, eingerichtet und kann mich mit mehr Musse den Dingen widmen, die da kommen sollen.

[…]

Auf Deinen Brief vom 6. Juni habe ich Dir, wenn ich nicht irre, schon geantwortet, einen anderen habe ich seitdem von Dir nicht erhalten, was ich Dir in Anbetracht meines unsicheren Aufenthaltes hier nicht zum Vorwurf mache.

Die Wahlagitation ist jetzt in vollem Gange, aber bisher noch nicht so lebhaft, wie sie sonst und namentlich vor drei Jahren so kurz vor dem Wahltermin war. Die Schuld liegt nicht auf unserer Seite; denn an uns fehlt es nicht. Wir sind infolge unserer ausnahmegesetzlichen Gebundenheit auf unsere Gegner angewiesen, und diese tappen noch sehr unsicher. Die Spaltung unter denselben tritt diesmal, besonders auch in Sachsen, wo sie sonst uns gegenüber eine reaktionäre Masse waren, etwas schärfer hervor, und die Folgen werden uns zugute kommen. Die Gegner fürchten die Aufregung der Massen, weil sie fühlen, wie die Stimmung „nach links“ gravitiert.

Ein Hauptcoup ist uns zu Wasser geworden. Das vom Kopenhagener Kongress beschlossene Manifest, das Liebknecht entworfen hatte, wir nach meiner Rückkunft von der Reise revidierten, war fertiggestellt und sollte nächsten Sonntag gleichzeitig in ganz Deutschland zur Verteilung gelangen. Da wurde Ende voriger Woche die für Leipzig bestimmte Sendung auf Anweisung der Berliner Polizei, die also durch Redereien irgendwie Wind bekommen hatte, beschlagnahmt und das Blatt verboten. Da damit das Verbot für ganz Deutschland Gültigkeit erlangt, so ist die Verteilung nur auf die Gefahr hin möglich, dass Hunderte dabei abgefasst, in Untersuchungshaft gebracht und schliesslich bis zu sechs Monaten verdonnert werden. Ein Opfer, das in keinem Verhältnis steht. So haben wir die ungeheure Masse Makulatur und sind um eine erkleckliche Zahl Tausende von Mark ärmer. Trotz alledem sind wir guten Mutes. Finanziell können wir den Schlag viel leichter verwinden als vor drei Jahren, und moralisch macht er bei den Leuten keinen Schaden.

Ich werde dafür sorgen, dass Dir ein Exemplar des Blattes zukommt. Dasselbe ist etwas sehr doktrinär gehalten und nicht aggressiv in der Form, damit es in Deutschland gedruckt werden konnte, was bei der in Frage kommenden Masse notwendig war. …

(Fortsetzung folgt)

Das 1878 erlassene Sozialistengesetz machte den Sozialdemokraten in Deutschland das Leben schwer. Durch die Verhängung des kleinen Belagerungszustands konnten die Behörden scharf gegen politisch aktive Sozialisten vorgehen. Dazu zählten auch Ausweisungen. August Bebel (1840-1913) scheint hier den Restriktionen „freiwillig“ ausgewichen zu sein, indem er nach Dresden übersiedelte.

Quellenangabe August Bebels Briefwechsel mit Friedrich Engels, hg. von Werner Blumenberg, London, The Hague, Paris 1965, S. 185-188

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